Seite - 30 - in Existentialismus in Österreich - Kultureller Transfer und literarische Resonanz
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Sartredenvon ihmselbst alsEtikett abgelehntenExistentialismusweiter gefasst
als„philosophiede l’existence“59begreift.
Dabei kann sie leicht definiert werden. Kompliziert werden die Dinge dadurch, daß es
zweiArtenvonExistentialistengibt: die ersten sindChristen, zu ihnenwürde ich Jaspers
und Gabriel Marcel (katholischer Konfession) zählen; auf der anderen Seite stehen die
atheistischenExistentialisten, zudenenmanHeidegger sowie die französischenExisten-
tialistenundmichselbst zählenmuß.60
(Pourtant, ellepeut sedéfinir facilement.Cequi rend leschosescompliquées, c’estqu’il y
a deux espèces d’existentialistes: les premiers, qui sont chrétiens, et parmi lesquels je
rangerai Jaspers etGabrielMarcel, de confession catholique; et, d’autrepart, les existen-
tialistes athées parmi lesquels il faut rangerHeidegger, et aussi les existentialistes fran-
çaisetmoi-même.)61
Ebenso wenig wie Heidegger und Jaspers wollen sich die französischen Philo-
sophInnenmit der Zuordnung anfreunden. Der 1889 geborene Gabriel Marcel,
der verantwortlich zeichnet für das Etikett, unter das er nun von Sartre subsu-
miert wird, geht bereits in den zwanziger Jahren mit existenzphilosophischen
Schriften voran, konvertiert 1929 zumKatholizismus und bezeichnet sich selbst
als in der LinieKierkegaards stehenderNeo-Sokratiker. ZudenvonSartre nicht
näher definierten „existentialistes français“wird neben ihm selbst und Simone
deBeauvoirmeist sein langjährigerFreundundLesTempsmodernes-Mitarbeiter
MauriceMerleau-Ponty gezählt (als „[t]iers de la trinité existentialiste“62). Mer-
leau-Pontykonntesichzeitweisenochdamitarrangieren,wenngleichdiephäno-
menologische Perspektive seines Werks eher dem frühen Sartre nahesteht als
demaktivistischennach1945, schließlichentzweit ihre jeweiligeHaltunggegen-
über der Sowjetunion Sartre undMerleau-Ponty endgültig (cf. Kap. 8.2). Albert
Camus erscheint für einige Jahre als „a dual figureheadwith Sartre“63, auch in
Österreich, und betont vergeblich, kein Existentialist zu sein. Letztlich kann
59 SimonedeBeauvoir:LaForcedeschoses,Bd. 1.Paris 1963,S.60.
60 Jean-Paul Sartre: Der Existentialismus ist ein Humanismus. Deutsch von Vincent von
Wroblewsky. In: Sartre: Der Existentialismus ist einHumanismusundandere philosophische
Essays 1943–1948. (GesammelteWerke in Einzelausgaben, Philosophische Schriften 4.) Rein-
bek2002 [2000],S. 145–192,hierS. 147f.
61 Jean-PaulSartre: L’Existentialismeestunhumanisme,présentationetnotesparArletteEl-
kaïm-Sartre. Paris 1996, S. 26. Cf. Urs Thurnherr: „Existenzphilosophie“ und „Existenzialis-
mus“ oder Kurze Geschichte „eines“ Etiketts. In: Thurnherr und Hügli (Hg.): Lexikon
ExistenzialismusundExistenzphilosophie.Darmstadt2007,S. 11.
62 Boris Vian:Manuel de Saint-Germain-des-Prés. Texte présenté et établi par Noël Arnaud,
iconographied’aprèsd’Dée.Paris 1997,S. 185.
63 Collins:TheSociologyofPhilosophies,S. 775.
30 3 GrundlagenundGründungsmythen
Existentialismus in Österreich
Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Titel
- Existentialismus in Österreich
- Untertitel
- Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Autor
- Juliane Werner
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-068306-6
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 378
- Kategorie
- Kunst und Kultur