Seite - 62 - in Existentialismus in Österreich - Kultureller Transfer und literarische Resonanz
Bild der Seite - 62 -
Text der Seite - 62 -
Liebe („le grand amour“) zwischen Österreich und Frankreich nach dem Ersten
Weltkrieg für endgültig abgekühlt; vielmehr verkörpere Frankreich in denAugen
Österreichs einhellig denHauptverursacher seines Unglücks („l’artisan principal
desesmalheurs“), daskostbareGeschenk („le cadeau inestimable“5)derUnab-
hängigkeitvomDeutschenReich inFormdesVertragsvonSt.-Germainwisseman
nicht zu schätzen. Unter diesem 1918 eingetretenen Bruch („rupture d’iden-
tité“6) werdendie franko-österreichischenBeziehungen laut Rovanhernach lei-
den. In Anbetracht des ungebrochenen Anschlusswillens der österreichischen
Bevölkerung konstatiert 1929 der französische Botschafter Louis-Bertrand Clau-
zel,wieschweres fürNichtdeutsche ist,EinflussaufdieösterreichischeMeinung
auszuüben(„ilestbiendifficileàuneinfluenceétrangère,nonallemande,des’e-
xercer à Vienne pour agir sans se compromettre, sur l’opinion autrichienne“7).
So wie die Unabhängigkeit Österreichs als Maßnahme, das Deutsche Reich zu
schwächen, die vordringlichsteAufgabe der französischenRegierungnachdem
ErstenWeltkrieg ist, konzentriert sich die Besatzungspolitik nach dem Zweiten
Weltkrieg– bevorÖsterreichs als Konfrontationsstätte des KaltenKrieges große
Wichtigkeit imWiderstandgegendieSowjetunionerhält–neuerlichaufdieblei-
bendeTrennungvonDeutschland.
4.1 Die französischenBesatzungszonenTirol,Vorarlberg
undWien
VondendreiHauptsiegermächtendes ZweitenWeltkriegs fordert Frankreich–
unter Betonung, dass sich das Geschick Europas nicht ohne es regeln lasse
(„que le sort de l’Europe ne peut se régler sans elle“8) – im Jänner 1945 eine
Beteiligung ander bereits imZugederMoskauerDeklaration vomHerbst 1943
grob aufgeteilten alliierten Besatzungsareale in Österreich. Die im Zonenab-
kommen(„AbkommenbetreffenddieBesatzungszonenunddieVerwaltungder
Stadt Wien“, 9. Juli 1945) geregelte Zuordnung der beiden westlichen, zuvor
denVereinigtenStaatenvonAmerikaunterstehendenBundesländerVorarlberg
undTirol zu Frankreich erfolgt im Juli. Das Landbesteht fortan aus vier Zonen,
derwestlichen (Frankreich), südlichen (Großbritannien:Kärnten,Osttirol,Steier-
mark), nordwestlichen (USA: Salzburg, Oberösterreich südlich der Donau und
5 Robert Julien:L’Imagede l’Autricheperçuepar leQuaid’Orsayentre 1918et 1922. In:Austriaca
11, Juni1986(SpécialColloque:RelationsFranco-Autrichiennes1870–1970),S.83–112,hierS.83.
6 Rovan:Réflexionssur les relations franco-autrichiennes,S. 233.
7 Julien:L’Imagede l’Autricheperçuepar leQuaid’Orsay,S.84.
8 Cullin:L’Actionculturelle françaiseenAutricheaprès1945,S.322.
62 4 FranzösischeKulturpolitikundersteExistentialismus-Begegnungen
Existentialismus in Österreich
Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Titel
- Existentialismus in Österreich
- Untertitel
- Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Autor
- Juliane Werner
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-068306-6
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 378
- Kategorie
- Kunst und Kultur