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Als Gründe für diese Außerachtlassungwerden die relative Ferne Österreichs
sowie das retrospektive Ausblenden der österreichische Elemente („éléments
autrichiens“18) in den Rängen derWehrmacht während der Besetzung Frank-
reichs zwischen 1940und1944genannt,wodurchdasLand inder öffentlichen
Wahrnehmung weit weniger Politikum als Deutschland ist. Dabei bringe Öster-
reichs Kriegsbeteiligung unendlich komplexere, heiklere Probleme („des problè-
mes infinimentpluscomplexes,plusdélicats“19)mit sich,die,auchwenneskeine
eigenständige französische Österreichpolitik gibt,20 eine stark von der westdeut-
schen Situation divergierende Herangehensweise erfordert. Zwar setzt die in
Baden-Baden stationierteMilitärregierung in ihrer Zone ebenfalls generell auf die
Vorbildfunktion von französischer Kunst und Literatur, dochmüssten der deut-
schen Bevölkerung demokratische Traditionen („les traditions démocratiques“21)
neubeigebrachtwerden, durchdie belastete eigeneKultur sei sie auf Kultur von
außenangewiesen,währenddasFundamentdesösterreichischenWiederaufbaus
gerade die eigene untergegangene Kultur sei. Umdas Selbstbewusstsein der Na-
tion zu stärken, lehntmandie zu verwirklichende kulturelle Identität konkret an
ein katholisch-barockes, konservativesÖsterreichHabsburgs an („l’Autriche ca-
tholiqueetbaroqueaux traditionsconservatrices, enunmot l’AutrichedeHabs-
bourg“22), manmüsse, sagt Béthouart, das Land als „Leuchtturm hoher Kultur
18 GénéralBéthouart:LaBataillepour l’Autriche.Paris 1966,S.40.
19 Béthouart:LaBataillepour l’Autriche,S.40.
20 Cf.BrunoW.Koppensteiner:BéthouartsAlpenfestung.MilitärischePlanungenundVertei-
digungsvorbereitungen der französischen Besatzungsmacht in Tirol und Vorarlberg. In:
Schmidl (Hg.): Österreich im frühenKaltenKrieg 1945–1958. Spione, Partisanen,Kriegspläne.
Wien, Köln,Weimar 2000, S. 193–237, hier S. 225. Porpaczy spricht diesbezüglich allerdings
voneinembesonderenVermögender französischenBesatzung, dieWünschederÖsterreiche-
rInnen aufzuspüren: „Dazu gehörten das Bedürfnis nach Verdrängung, nach Traditionen,
nach einemWiederauflebenhabsburgischer Größengefühle, nachKonservativismus, Katholi-
zismus und Provinzialismus und in der HauptstadtWien nach Elitismus.“ Porpaczy: Frank-
reich–Österreich,S. 276f.
21 Cullin:L’Actionculturelle françaiseenAutricheaprès1945,S.324.
22 Cullin: L’Action culturelle française en Autriche après 1945, S. 322; cf. S. 323–324: Bét-
houart ist besondersdarangelegen,ÖsterreichseinegroßenhistorischenMomentewiederent-
decken zu lassen und dadurch wohlbekannte Gegensätze und Feindseligkeiten, die die
französisch-österreichischenBeziehungen seit Jahrhunderten geprägt hätten („des antagonis-
mes etdeshostilités bienconnuesqui ontmarqué les relations franco-autrichiennespourdes
siècles“), zuüberwinden, gerade inTirol,wonebendenAnimositätennachdemErstenWelt-
krieg noch der Fünfte Koalitionskrieg von 1809die Sympathien für Frankreich erheblich ein-
trübt. Anerkennung verschafft sich Béthouart hier, als er den Tiroler Schützen das Tragen
ihrer historischenWaffen gestattet und einen Kranz amGrabAndreasHofers niederlegt. Die
Stimmung bleibe insgesamt nichtsdestotrotz lange Zeit ausgesprochen schlecht, wofür vor
allemdie „getarntenNazis“ („nazis camouflés“) verantwortlich gemachtwerden: „Trotz aller
4.1 Die französischenBesatzungszonenTirol,VorarlbergundWien 65
Existentialismus in Österreich
Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Titel
- Existentialismus in Österreich
- Untertitel
- Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Autor
- Juliane Werner
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-068306-6
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 378
- Kategorie
- Kunst und Kultur