Seite - 73 - in Existentialismus in Österreich - Kultureller Transfer und literarische Resonanz
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mensverpflichtet sichdieösterreichischeRegierungnun,„demUnterrichteder
französischen Sprache und Kultur in den Lehrplänen sämtlicher Stufen einen
besonderenPlatzzuzusichern,derart,daßdieserUnterrichtaufkeinenFallhin-
ter dem einer anderen lebenden Sprache zurücksteht.“55 Wenig später, 1950,
verbreitet sich doch Sorge über die stetig wachsende Beliebtheit des Engli-
schen,etwabeimGymnasiallehrerLudwigHänsel,der inder französischenBe-
satzungspresse fordert, dass dem „Niedergang des Französischen an unseren
Schulen […] ein neuer Aufstieg folgen“müsse, nicht zuletzt aufgrund der lan-
genösterreichisch-französischenWechselbeziehungen:„Französische Impulse,
Wellen französischenGeisteshabenausgestrahlt, immerwieder,überganzEu-
ropa,überRussland,überEngland,überAmerikahin. (Bleibenwirunsdessen
nurbewusst!Wir sinddamitnoch langenichtHörigeeiner fremdenNation.)“56
Stellen Schulbücher generellwichtigeKanäle für den interkulturellen Transfer
dar, sodochüberwiegendmittel-undlangfristig,wasdieAuswahl ihrer Inhalte
anbelangt: Umdie Gefahr, allzu schnell anAktualität zu verlieren, zu vermei-
den,wird in literarischerHinsicht bei der Konstruktion von Frankreichbildern
auf Zeitgenössisches verzichtet, auch auf existentialistische AutorInnen, die
somit inderBesatzungszeitkeineRelevanz fürSchulbücherhaben.57
DieuniversitärenInterventionender französischenKulturverantwortlichenset-
zen ebenfalls auf Bewährtes. In den Besatzungsjahren bietet das Vorlesungsver-
zeichnisderUniversitätWienLehrveranstaltungen fürHörerInnenallerFakultäten
(Internationales Institut der UniversitätWien), unterteilt in eine anglo-amerikani-
sche,einefranzösischeundeinerussischeSektion,wobeisichdasAngebotErsterer
mit circa zehnVorlesungenaus verschiedenenDisziplinen (unter anderemLitera-
tur, Psychologie, Geschichte,Musik) amumfang- und abwechslungsreichsten ge-
staltet. Während die circa drei Veranstaltungen der russischen Sektion den
Schwerpunkt auf LandeskundeundRechtswissenschaft legen, konzentrieren sich
die zwei bis drei französischen auf die Literatur: Das Angebot erstreckt sich vom
16. Jahrhundert bis zumErstenWeltkrieg,wobei Lyrik als Gattung klar dominiert
(beispielsweise„KomödienvonMolièrebisBeaumarchais“,„TextverständniszuLa
55 Kulturabkommen zwischen der Republik Österreich und der Französischen Republik,
S.914.
56 Ludwig Hänsel: Bedenkliche Tendenzen des Fremdsprachen-Unterrichts. In: Geistiges
Frankreich,25.09.1950.
57 Auch inDeutschland findendie Schriften der ExistentialistInnenüberwiegend erst in den
siebziger JahrenEingang inSchulbücher. Es sinddie68er-Ereignisse,diedort einenähereBe-
schäftigung vor allemmit Sartre bewirken. Cf. dazu: Gérard Schneilin: L’Image de la France
dans lesmanuels scolairespour l’enseignementde lacivilisation françaiseenR.F.A.de 1950à
1990. In:SchlobachundGrunewald (Hg.):Vermittlungen,Bd.2,S.417–430.
4.2 KulturpolitischeMaßnahmen 73
Existentialismus in Österreich
Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Titel
- Existentialismus in Österreich
- Untertitel
- Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Autor
- Juliane Werner
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-068306-6
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 378
- Kategorie
- Kunst und Kultur