Seite - 79 - in Existentialismus in Österreich - Kultureller Transfer und literarische Resonanz
Bild der Seite - 79 -
Text der Seite - 79 -
schen“ redet, lobtArmand Jacob, auchspiegelt sichdarin seine„geistigeEhrlich-
keit“, sein„Wille zuunbestechlichsterWahrhaftigkeit“, der ihn letztlichzum„Ge-
wissen“79 seiner Generationmache. Er sei „ein Durchschnittsmensch, der einen
demDurchschnittsmenschengangbarenWegzurVollendungundVollmenschlich-
keitbahnenwill“, führt JacobspäteranandererStelleweiteraus:
[F]ürwahr ist Albert Camus zwar nicht der Größte seiner Generation, aberwohl derNot-
wendigsteundUnentbehrlichste. Er ist sogardeshalbderNotwendigste,weil ernichtder
Größte ist,weil er sichnurdurch solcheTugendenauszeichnet, die eigentlich Selbstver-
ständlichkeitenseinsollten.80
Gilt derdezidierteAtheismusvonCamus’PhilosophiedesAbsurdenals schwer
vermittelbar inÖsterreich (cf.Kap.6.3),81wirderalsMoralist, indessen literari-
schenTextendie Leidenschaft „unter derAsche verlorener Illusionenundent-
täuschender Erkenntnisse“82 brennt, generationenübergreifend zur Kenntnis
genommen.HeimitovonDoderer etwaempfiehlt ihn 1963 inder vonderÖster-
reichischen Gesellschaft für Literatur initiierten und von Walter Buchebner,
AutorundLeiterderStädtischenBibliothek,durchgeführtenUmfrage„Lektüre-
Ratschläge für die junge österreichische Generation“83.Während Sartre vielen
zu schockierend erscheint, mutet Camus’ durchaus als finster empfundene
Prosa doch harmlos genug an, um von offizieller Seite, nämlich in dem vom
Bundesministerium für Unterricht herausgegebenen Buch und Bücherei. Hefte
79 ArmandJacob:AlbertCamusals Journalist. In:GeistigesFrankreich, 18.09.1950.
80 Armand Jacob:Albert Camusoder dieBemühungumeinenGeneralnenner. In: Perspekti-
ven52/53.Ein Jahrbuch.Wien1953,S. 191–205,hierS. 193f.
81 So etwa geäußert vonWaldschütz: Wahrnehmung und Rezeption französischer Philoso-
phie in Österreich, S. 208: „Während Sartre und de Beauvoir aus bekannten politischen und
gesellschaftlichenGründen breiteste Aufnahme fanden, gelang etwaAlbert Camus in seinen
philosophischen Anliegen nur langsam der Zugang in die Österreicher.“ Die zwischen 1945
und 1955 erscheinenden Nachkriegszeitungen und -zeitschriften bestätigen diese Einschät-
zungkaum.Camus’Präsenz steht jener Sartres insgesamtwenignach,währendBeauvoir fast
keineRolle spielt (cf. Kap. 5.1). Camus’Prosawirdhäufiger thematisiert als jeneSartres, seine
Philosophie inetwasgeringeremMaß,wobeiauchdiePhilosophieSartres imengerenSinne in
der öffentlichenWahrnehmung vernachlässigt wird zugunsten seiner Dramen, seiner politi-
schen Aktionen und vor allem des existentialistischen Lebensstils. Auf den Bühnen (cf.
Kap. 8.1) und imakademischenBereich (Lehrveranstaltungen,Hochschulschriften) kommt es
zueiner leichtverzögertenAufnahmevonCamus’Werk(cf.Kap.7.2).
82 o.V.:„DieGerechten“vonAlbertCamus. In:GeistigesFrankreich, 16.01.1950.
83 Cf. Walter Buchebner: Lektüre-Ratschläge für die junge österreichische Generation. In:
Wort inderZeit9 (1963),Nr. 7,S.41–48,hierS.44.
4.3 Zeitschriften,Buchmarkt,Übersetzungen 79
Existentialismus in Österreich
Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Titel
- Existentialismus in Österreich
- Untertitel
- Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Autor
- Juliane Werner
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-068306-6
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 378
- Kategorie
- Kunst und Kultur