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zur Judenfrage. Psychoanalyse des Antisemitismus).155 1950 erscheint alsWiener
undZürcherKoproduktionSartresMaterialismusundRevolution (Matérialismeet
Révolution, 1946) in Wien, parallel beim Stuttgarter Verlag Kohlhammer. Der
Transfer philosophischer Schriften verläuft publikationsgeschichtlich insofern
achronologisch, als die erste, phänomenologischePhase zunächst ausgeblendet
wird; die (unvollständige)ÜbersetzungdesHauptwerksL’Être et leNéant (1943)
dauert – aus der „verlegerischenÜberlegung, daß dieses schwer verständliche
WerkkeinengroßenAbsatz findendürfte“156–bis1952 (DasSeinunddasNichts),
sodass sichdieErstaufnahmederPhilosophie imWesentlichenaufdemtheore-
tisch schmalen Fundament des Kurztexts Ist der Existentialismus ein Humanis-
mus?vollzieht.
Dieses anonym übersetzte Werk, bei dem es sich um die Transkription
einesam29.Oktober1945 imPariserClubMaintenantgehaltenenVortragshan-
delt, verbreitet sich ausgesprochengut, selbst dieUniversitätsbibliothekWien,
die in den erstenNachkriegsjahren „nurwenige zeitgenössischeWerke“157 an-
schafft und von Buchgaben aus demAusland lebt, kauft dasWerk direkt an,
wieMargit Sandner in ihrer Katalog-Analyse hervorhebt. In der akademischen
Auseinandersetzung ist der Text präsent (cf. Kap. 7.2), Periodika beziehen sich
auf ihn:DieZeitschrift silberboot (1935–1952), inderman„allewahrhaftdichte-
rischenKräftedes in-undausländischenSchrifttumszuWortekommenlassen“
und „der echten Dichtung und der wahren humanen Geistigkeit“158 dienen
will,kündigt sogardenAbdruckdesTexts inHeft8 (1946)an,wassichkurzfris-
tigdurchdie ZürcherPublikationvon Ist derExistentialismuseinHumanismus?
155 Neben demDrama Les Mouches ist Réflexions sur la question juive ist dies ein weiterer
Text, der in Österreich kaum Beachtung findet, vermutlich aus ähnlichen Gründen (cf.
Kap. 3.2).Ansonstennoch Jahrzehnte später gepriesenals „immernochgültigeErkenntnisse“
enthaltend (JeanAméry: JenseitsvonSchuldundSühne,S. 136; cf. etwadiemaßgeblicheWir-
kungauf Frantz FanonsPeaunoire,masquesblancs von 1952), zählt „Sartres Behandlungder
Judenfrage“ in den vereinzelten österreichischen Stellungnahmen „zu den allerschwächsten
ProduktionenseinesLebens“. FriedrichHeer: InmemoriamJeanPaulSartre. In:NL [Nachlass]
Friedrich Heer. Typoskript, Blatt 6. Literaturarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek,
Wien(LIT),Sign.: 188/W333.
156 Herbert Alexander Stützer:Werke des französischen Existentialismus in deutscherÜber-
setzung. In: Das Buch. Zeitschrift für Literatur, Kultur und Wissenschaft aus Frankreich 2
(1950),Nr. 5,S. 11–23,hierS. 11.
157 Margit Sandner: Bibliothekskataloge als rezeptionsgeschichtliche Quellen. Französische
Autoren in den Beständen der UniversitätsbibliothekWien. In: Angerer und Le Rider (Hg.):
Französisch-österreichischeKulturtransfersseit 1945,S. 273–279,hierS. 274;cf.S. 276.
158 [Ernst Schönwiese:] Zum zweiten Jahrgang nachmehr als acht Jahren. In: Silberboot 2
(1946),Nr. 1,S. 1. 4.3 Zeitschriften,Buchmarkt,Übersetzungen 95
Existentialismus in Österreich
Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Titel
- Existentialismus in Österreich
- Untertitel
- Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Autor
- Juliane Werner
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-068306-6
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 378
- Kategorie
- Kunst und Kultur