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dit tout ce qu’il voudrait savoir dire“119), doch extrahiert Rainer nur diejenigen
Elemente aus SartresDenken, die ihm zupasskommen. An ihmveranschaulicht
sich deutlich Jelineks Auskunft, sie schreibe „über Personen, wie sie sich als
Sprachschablonenoder Sprachmustermaterialisieren“120. Rainer, der „HerrPro-
fessor“ genannte Anführer der von seinen intellektuellen Ausbrüchen gelang-
weiltenGruppe,steht imRuf,einAngeberzusein,„derdauerndSachensagt,die
nichtwahr sind“, obwohlmandochwahrhaftig seinmüsse; zudemsageer „nie
einenSatz,deneinanderernicht schongesagthat“121.AuchSätzeSartresgibt er
alsdie seinenaus, etwaals er seinenFreundengegenüberungefragtüber „Wol-
lust“ referiert („[w]ißt ihr,dasBewußtsein ist indieserExstasenurnochBewußt-
sein des Körpers und daher reflexives Bewußtsein von der Leiblichkeit“122) und
sichdamit aus der Erstübersetzung vonDas Sein und dasNichtsbedient: „[D]ie
Wollust ist eineArt vonbesondererEkstase, inderdasBewußtseinnurnochBe-
wußtsein (des) Leibes ist und infolgedessen reflexivesBewußtsein vonder Leib-
lichkeit wird.“123 Auch seine Schwester Anna hat „den ganzen Sartre in [ihrer]
Freizeit gelesen,dasganzeSeinunddasganzeNichts“,wohlwissend,dassdies
sie von „Millionen andererMädchen“124 unterscheidet. Als besonders präsenter
PrätextscheintSartresersterRomanDerEkeldurchverschiedenewörtlicheÜber-
nahmen auf, im Folgenden ohne Markierung: „Rainer hat genug von diesen
Ideen über die Vergangenheit, die Gegenwart, dieWelt. Er verlangt nur eines:
mansoll ihn inRuheseinBuchbeenden lassen,daser schreibenwill.“125 Inden
Aufzeichnungen der Hauptfigur Sartres, Roquentin, steht zu lesen: „Ich hatte
genug,übergenugvondiesen IdeenüberdieVergangenheit, dieGegenwart, die
119 Vian:L’Écumedes jours,S. 263.
120 Elfriede Jelinek. In: Riki Winter: Gespräch mit Elfriede Jelinek. In: Bartsch und Höfler
(Hg.):Elfriede Jelinek. (Dossier 2.)Graz,Wien1991,S.9–19,hierS. 13.
121 Jelinek:DieAusgesperrten,S. 21, 165, 256.
122 Jelinek:DieAusgesperrten,S. 21 (Hervorhebung imOriginal).
123 Jean-PaulSartre:DasSeinunddasNichts.VersucheinerphänomenologischenOntologie.
DeutschvonJustusStreller,KarlAugustOttundAlexaWagner.Hamburg1974,S. 508.Cf.Sar-
tre: L’Être et le Néant, S. 437: „A vrai dire, il est normal que l’engluement de la conscience
dans le corps ait son aboutissement, c’est-à-dire une sorte d’extase particulière où la consci-
encenesoitplusqueconscience(du)corpset,parsuite,conscienceréflexivede lacorporéité.“
(Hervorhebung imOriginal).
124 Jelinek:DieAusgesperrten,S.89.
125 Jelinek:DieAusgesperrten,S.60.
5.2 LiterarischeDarstellungendesExistentialismusals Jugendkult 119
Existentialismus in Österreich
Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Titel
- Existentialismus in Österreich
- Untertitel
- Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Autor
- Juliane Werner
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-068306-6
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 378
- Kategorie
- Kunst und Kultur