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vonHeldentumumdeutet“140,wie Franz Schuh einmal formuliert. Die Charak-
terisierungderFigurRainer–„Es ist einHeroismus in ihm,dereinsamist“:„Er
verabscheutnämlichdieMasseundragtdeshalbdeutlichübersiehinaus“141– ten-
diert dabei in Richtung eines Nietzscheanischen Überlegenheitsgestus (im Sinne
von „[m]anmuß derMenschheit überlegen sein durch Kraft, durch Höhe der
Seele,–durchVerachtung…“142);mehrnochverleihtRainerseinemExistentialis-
mussozialdarwinistischeZüge,wenner,alsStärkerer,sichgegendie„Gleichheit
aller“positioniert, „die ja gegendieNatur undderenVererbungslehrewäre“143.
DieWitkowski-Zwillinge wähnen sich schließlich „überlegen imUnglück, weil
sie sich von allem frei gemacht habenund tunwas siewollen. Rainer sagt, die
Menschensindschonirgendwiedeterminiert,aber ichnicht,weil ich ihnenüber-
legenbin,aufGrundmeinesWillens.“144DurchdieseReaktionauf ihreallseitige
Bestimmt- undBedingtheit–durchEltern, Schule, das sozialeUmfeld– verkör-
pern sie für Sichrovskydie „Tragödiedes intellektuellenKleinbürgertums insei-
nemmanischen Geltungsbedürfnis“145; sie können sich letztlich ebenso wenig
vonihremMilieulösenwie ihrVaterdie imKriegeingespieltenVerhaltensmuster
ablegen kann. In diesemSinne destruiert Jelinek laut Janz nicht nur „den exis-
tentialistischenMythosvomfreien ‚Selbstentwurf‘desEinzelnen“, sondernliefert
auch „eineböseParodie auf denbürgerlichenBildungsromanmit seinerUtopie
der freien Entfaltung des Individuums bei gleichzeitiger Integration in die
Gesellschaft.“146
Bei JelineksFiguren ist dasGefühlderAuserwähltheit engmitdemderAus-
geschlossenheit verbunden.DieHandlungvonDieAusgesperrten trägt sich 1959
zu, demPublikationsjahr von Sartres Les Séquestrés d’Altona, das 1960 alsDie
Eingeschlossenen bei Rowohlt erscheint und am 4. September 1960 imWiener
Volkstheater unter der Regie von Leon Epp als österreichische Erstaufführung
140 FranzSchuh:LestSartre! In:Profil, 21.04.1980.
141 Jelinek:DieAusgesperrten,S.34, 128.
142 FriedrichNietzsche:DerAntichrist. FluchaufdasChristenthum. In:Nietzsche: Sämtliche
Werke.KritischeStudienausgabe in15Bänden(KSA),Bd.6.Hg.vonGiorgioColliundMazzino
Montinari.München1999,S. 167–168,hierS. 168 (Hervorhebung imOriginal).
143 Jelinek:DieAusgesperrten,S. 55.
144 Jelinek:DieAusgesperrten,S.34.
145 HeinzSichrovsky:DieAusgesperrten. In:Arbeiter-Zeitung, 17.11.1979.
146 Janz: Elfriede Jelinek, S. 52, 44. AlsweitereDenksysteme, die durch Jelinek eine ähnlich
zerstörerischeBehandlung erfahren, nennt Janz „denmarxistischenMythos vonderArbeiter-
schaft als revolutionäremSubjektundden feministischenMythosvondenFrauenals ‚subver-
sivem‘Potential.“
5.2 LiterarischeDarstellungendesExistentialismusals Jugendkult 123
Existentialismus in Österreich
Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Titel
- Existentialismus in Österreich
- Untertitel
- Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Autor
- Juliane Werner
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-068306-6
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 378
- Kategorie
- Kunst und Kultur