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denneunziger JahrenundinländlicherGegend.DerDeutschlehrerAntonberich-
tetvoneinemSommer,denermitseinemehemaligenSchülerDanielunddessen
FreundineinemWaldhausverbringt.EinalsExistentialismus-Vermittleragieren-
der Pädagoge ist auch außerliterarisch kein ungewöhnliches Vorkommnis, wie
unter anderemdas Erweckungserlebnis des fünfzehnjährigen JosefWinkler na-
helegt: Er „hatte imBücherregal unserer Lehrerin, der StoxreiterWaltraud, ‚Die
Pest‘ von Camus gefunden und [sich] ausborgen dürfen und spätestens beim
LesendiesesBuchesgewußt,daß [er sich]vonnunanmitLiteraturbeschäftigen
würde“167.GstreinsHeldempfiehlt seinenSchützlingenebenfalls (denhier indie
weitere Existentialismus-Sphäre inkludierten) Camus, konkret den Roman Der
Fremde, sieht sich jedoch schnell in der Situation, diesen Lektüre-Ratschlag
rechtfertigenzumüssen,nachdemeineBombendrohungdiedörflicheStasisauf-
bricht und den unangepassten Lehrer und seinen widerspenstigen Schüler ins
ZentrumderAufmerksamkeit rückt.Anton insistiert:„DerFremdegaltnunwahr-
lich nicht als Geheimtip, auch bei uns in der Provinz nicht“168. Zu weiterem
Unmut führenTheaterprobenvonCamus’DieGerechten, einStücküber sozialis-
tische Revolutionäre im zaristischenRusslandwährend der Unruhen von 1905,
vomElternverein seiner „aufrührerischen Ideen“wegen („kommunistischeUm-
triebeundAufrufzurGewalt“169) sabotiert.
VondiesemStück,LesJustes (1949),erfährtdasösterreichischePublikumerst-
mals 1950 in der Besatzungspresse: Es sei imGegensatz zumVorgänger Belage-
rungszustand (L’État de siège, 1948), welches Publikum und KritikerInnen in
Frankreichenttäuschthabe,weiles„abstrakt,unlebendig, jastellenweise langwei-
lig“gewesen sei, nun „ein gut gebautes, spannendes Stück“170. Die erste größere
InszenierungvonDieGerechten imWienerVolkstheater imMärz 1951 (Regie:Gus-
tavManker)mussdennochnachdreiVorstellungenabgesetztwerden, zu extrem
erscheintder Inhalt.AnAktualitätverliertdieFrage, inwieweitGewalt legitimsein
kann,umnochgrößereGewaltzuverhindern,allerdingsnicht,wieeineRezension
167 Josef Winkler: Winnetou, Abel und ich. Mit Bildern von Sascha Schneider. Berlin 2014,
S. 51.
168 Gstrein:EineAhnungvomAnfang,S. 96.Die imRomanvorherrschendePräferenz fürAl-
bert Camus thematisiert eine Schülerin, die meint, „im Streit zwischen Camus und Sartre
müssemansichnurFotos von ihnenansehen,umzuwissen, dassCamus recht gehabthabe,
oderumsich zumindest genaudas zuwünschen“ (S. 277f.), unddiedamitdasberühmteDik-
tum ‚LiebermitSartre irrenalsmitAronrechthaben‘zu ‚LiebermitCamus irrenalsmitSartre
rechthaben‘variiert.
169 Gstrein:EineAhnungvomAnfang,S.97, 191.Cf.auchMarieGunreben:DieGefährlichkeit
der Literatur. Norbert Gstreins Roman „Eine Ahnung vom Anfang“. In: Text+Kritik 2015,
Nr. 15 (Sonderband:„ÖsterreichischeGegenwartsliteratur“),S. 164–174.
170 o.V.:„DieGerechten“vonAlbertCamus. In:GeistigesFrankreich, 16.01.1950.
5.2 LiterarischeDarstellungendesExistentialismusals Jugendkult 127
Existentialismus in Österreich
Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Titel
- Existentialismus in Österreich
- Untertitel
- Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Autor
- Juliane Werner
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-068306-6
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 378
- Kategorie
- Kunst und Kultur