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Die „Unbedingtheit, mit der er die Dinge ernst genommen habe“ unter-
scheidetDaniel indenAugenseinesLehrersvonseinenMitschülerInnen.Seien
der jugendliche Defätismus einerseits, „der nackte, ungeschützte Idealismus“
andererseitssonstvorübergehendePhänomene, falleauf,dassDaniel,während
„andere ihreAusflüge insExistentialistischebelächeltenund frohBestandauf-
nahmen,dasssiewaren,wassiewaren,undhatten,wassiehatten, sich immer
mehr darin verbiss.“177 Mit ihm ist neuerlich ein Jugendlicher porträtiert, bei
dem die Existentialismus-Aufnahme eskaliert, wenn auch in geringeremMaß
als bei Jelineks Rainer Witkowski. Die Helden eint mehr: Schätzt Anton im
GrundeDaniels„HangzumParadoxen,zumWortspielerischen,zumscheinphi-
losophischen Tiefsinn“, bezeichnet der Schuldirektor ihn als „Hochstapler“
und benennt unumwunden, was ihn stört: „der metaphysische Schleim, mit
dem er alles überzieht“178. Einschätzungen zu Rainer, aus dem nur „verbaler
Durchfall“179herauskomme,klingenähnlich.Die (Pseudo-)Intellektualitätwird
durchUnaufrichtigkeit inmateriellerHinsicht ergänzt: Schondassbeidenphi-
losophisch legitimiertenactes gratuitsdenpekuniärenReizenschwer zuwider-
stehen ist, lässt Misstrauen an Rainers Integrität aufkommen, bei späterer
Gelegenheitprahlt eroffenmitdem(imaginierten)SportautoseinesVaters,wie
auchdieFigurDanieldenabsentenVateralsLebemannmit teuremWagenaus-
gibt. Infragegestelltwirddamit auchdiedenExistentialistInnenzugeschriebene
konsumkritischeHaltung als eines jenerKlischees, die daswirkungsgeschichtli-
cheGewebedurchziehen.DassdieexistentialistischeSubkulturalsdemKonsum
abgeneigt und „[d]istanziert gegenüber dem american way of life“180 gilt, lässt
sichan Jelineks Jugendlichennicht ablesen,wobeiderArbeiterHansamoffens-
ten zugibt, dass viel Ersehntes aus denVereinigten Staaten stammt („die Blue-
jeans und sämtliche heiße Musik“181). Die Ausgesperrten illustriert mit diesen
sich scheinbarwidersprechendenVorlieben,waswenige Jahre zuvor durchden
BesatzungskontextdieBegegnungmitdemExistentialismuszueinemSpezialfall
macht: trianguläre Transferprozesse zwischen Österreich, den USA und Frank-
reich, bei denen sich kulturelleGüterwie der Jazz, amerikanischeLiteratur und
Folge 31 („Über seinenneuenRomanund 100 Jahre Camus“). http://www.burgtheater.at/Con
tent.Node2/home/ueber_uns/aktuelles/Reflektorium31.at.php(einges. 12.12.2015).
177 Gstrein:EineAhnungvomAnfang,S. 20,57,49f.
178 Gstrein:EineAhnungvomAnfang,S.49,95,89.
179 Jelinek:DieAusgesperrten,S. 239.
180 DietmarHüser:Amerikanisches inDeutschlandundFrankreich–Vergleich,Transferund
VerflechtungpopulärerMusik inden1950erund1960er Jahren. In:LüsebrinkundOster (Hg.):
AmWendepunkt,S. 283–305,hierS. 299.
181 Jelinek:DieAusgesperrten,S. 228.
5.2 LiterarischeDarstellungendesExistentialismusals Jugendkult 129
Existentialismus in Österreich
Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Titel
- Existentialismus in Österreich
- Untertitel
- Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Autor
- Juliane Werner
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-068306-6
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 378
- Kategorie
- Kunst und Kultur