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‚Existenzialisten‘bezeichneten und vonderWelt so genanntwurden.“205 Verbin-
dende Elemente sind durchaus vorhanden: Die europäische Jugend begrüßt den
Jazz laut Alfred Andersch instinktiv „als Musik der Aktion“206, als Berührungs-
punktenenntColinW.Nettelbeck inseinemAufsatz„Jean-PaulSartre, Simonede
Beauvoir and the Paris jazz scene“ das In-Situation-Sein der Improvisation (die
„dadurchgekennzeichnet ist,dassdas,wasderSinneinesElements ist,unddamit
das, was überhaupt ein Element ist, im Prozess der Improvisation ausgehandelt
wird“207),dieOffenheit,Freiheit,SpontaneitätundkontinuierlicheErneuerungdes
Jazz-Spiels.Wie sichdieseAspekte inSartresWerk eingeschriebenhätten, sei ein
Paradebeispiel fürkulturelleAnverwandlung:
Inattempting toassess therelationshipbetween jazzandthedevelopmentofSartre’sphi-
losophy thenotionsof ‚impact‘or ‚influence‘areperhaps lessuseful than the ideaof ap-
propriation. What goes in as jazz – that is as a cultural ‚other‘ full of emotional
connotations– is not just absorbed into an existing intellectual tradition, but isdeliber-
ately appropriated as an agent of transformation, taking the form, ultimately, of writing
thatseeks to inflectandsubvert ideologiesandsocio-political realities.208
InderösterreichischenAufnahmewerden JazzundExistentialismus teilsbis zur
Ununterscheidbarkeit miteinander verklammert: In Michael Köhlmeiers Roman
Abendlandheißt esüberdie ausNordamerika eingetroffenemusikalischeUnter-
malung,„dieverminderteQuintwurdealsakustische Ikone jenesLebensgefühls
gefeiert, das die Franzosen wenig später Existentialismus nannten“209. Aus
musikwissenschaftlicher Sicht sekundiert Andreas Felber, der in seinem Buch
über die Wiener Free Jazz-Szene die literarische Avantgarde hinzuzieht: „Die
Neo-Traditional-Szene inWienwar zu Beginn, ähnlich wie in Paris, vomGeist
des Existenzialismus behaucht und deshalb eng mit anderen Künstlerkreisen,
u.a.derWienerGruppe, verknüpft.“210Der inden fiktionalenHandlungsräumen
immer wieder auftauchende „Jazzkeller“ – den Sartre und Beauvoir entgegen
demKlischeenichtallzuhäufigfrequentierten– istbei Jelineknichtnur imenge-
205 Améry: IndieWeltgeworfen,S. 195f.
206 AlfredAndersch: JugendamSchmelzpotteinerKultur. In:Andersch:EssayistischeSchrif-
ten 1. (GesammelteWerke in zehnBänden, 8.) Zürich 2004, S. 279–292, hier S. 283. [Zuerst in:
Aussprache3 (1951),Nr. 1.]
207 DanielMartinFeige:Philosophiedes Jazz.Berlin2014,S. 126.
208 ColinW.Nettelbeck: Jean-Paul Sartre, SimonedeBeauvoir and the Paris Jazz Scene. In:
Modern & Contemporary France 9 (2001), Nr. 2, S. 171–181, hier S. 174f. (Hervorhebung im
Original).
209 MichaelKöhlmeier:Abendland.München2007,S. 26.
210 Andreas Felber: Die Wiener Free-Jazz-Avantgarde: Revolution im Hinterzimmer. Wien,
Köln,Weimar2005,S. 25.
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Existentialismus in Österreich
Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Titel
- Existentialismus in Österreich
- Untertitel
- Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Autor
- Juliane Werner
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-068306-6
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 378
- Kategorie
- Kunst und Kultur