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Währendhier keine sonderlicheinheitlicheAhnengalerie entsteht, spezialisiert
sich vor allemGstreinsRomanEineAhnung vomAnfang auf die in einemNah-
verhältnis stehenden Bücher der in jeder Schulklasse sitzenden „Steppenwolf-
Leser und die Siddhartha-Leser, die auf der Suche nach sich selbst für eine
Weile keinen Boden mehr unter den Füßen hatten“242. Als ein Favorit tritt
dabeiMiroslavKrležasOhnemich (Narubupameti, 1938)hervor,dessensubver-
sives Potential Gstreins Held hoch einschätzt: „Sobald jemand es nurmit ein
bisschen Verstand liest, wird er kaummehr einen Chef über sich akzeptieren
undüberhaupteinProblemmitdenLügenhaben,dieunsereGeschäftswelt zu-
sammenhalten.“243 Trotz der stark von Sartres Prosa abweichenden erzähleri-
schen Opulenz weist dieser Roman des schon ‚Balkan-Sartre‘ geheißenen
kroatischenAutors thematischvieleParallelenzudemimselbenJahrveröffent-
lichten LaNausée (1938) auf. Gerade in der Auflehnung gegen den Typus des
hommede droit, den sich auf gegebeneRechte undPflichten stützendenMen-
schen, der sich „inWürdenundMissionen, inBerufeundRangklassen“ („dos-
tojanstvom i pozivima, zvanjima i činovima“) hüllt, ähnelt Krležas Ich Sartres
ProtagonistenRoquentin; desgleichen imLeitgefühl des Ekels: Auch ihmwird
dasLeben„abstoßendbis zu jenemGraddesAbscheus,mitdemdasmenschli-
che Gehirn auf die Sinnlosigkeit der Existenz an sich zu reagieren pflegt“244
(„do onog bezidejnog, upravo bespredmetnog stupnja gađenja, kakvim
ljudski mozak reagira na besmislenost postojanja uopće kao takvog“)245.
Nichtsdestoweniger wird Krležas Werk selten in den intertextuellen Raum
(proto)existentialistischer Literatur gerückt. In diesem findet sich eher Prosa
von VorläuferInnen und VertreterInnen wie Alberto Moravia, Juan Carlos
Onetti, dem frühen André Malraux, Ernesto Sabato, Hans Erich Nossack,
RichardWright, Paul Bowles undWalker Percy, die trotz ihrer Heterogenität
eine Reihe von Übereinstimmungen in Thematik und Motivik eint.246 Percys
242 Gstrein:EineAhnungvomAnfang,S. 208.
243 Gstrein:EineAhnungvomAnfang,S.259.
244 MiroslavKrleža:Ohnemich.DeutschvonInaJun-Broda.Reinbek1966,S.6, 28f.
245 MiroslavKrleža:Narubupameti. Zagreb1960,S. 11.
246 Cf.etwaRichardE.Baker:TheDynamicsof theAbsurd in theExistentialistNovel. (Ameri-
canUniversityStudiesXIX/31.)NewYorketal. 1993.WiedehnbardasSubgenrederexistentia-
listischen Literatur ist, zeigt sich an der nicht seltenen Zuordnung von SchriftstellerInnen
verschiedenerEpochen,diesichexistentiellenTopoiangenommenhaben,vonIbsenüberHof-
mannsthal, Rilke undGide bis zu Beckett undAnouilh. Cf. Franz Josef Deiters: Literatur. In:
Thurnherr und Hügli (Hg.): Lexikon Existenzialismus und Existenzphilosophie, S. 158–160.
FürUntersuchungendesExistentialismusals literarischeStrömungcf. auchCatharineSavage
Brosman: Existential Fiction. (Literary Topics 8.) Farmington Hills/MI 2000; und Hans van
Stralen:ChoicesandConflict.EssaysonLiteratureandExistentialism.Brüssel2005.Cf.weiters
5.2 LiterarischeDarstellungendesExistentialismusals Jugendkult 141
Existentialismus in Österreich
Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Titel
- Existentialismus in Österreich
- Untertitel
- Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Autor
- Juliane Werner
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-068306-6
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 378
- Kategorie
- Kunst und Kultur