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hält, istdiehoheMeinungvonSartresalsauthentischamerikanischempfunde-
nemSüdstaaten-Dramahingegenspürbar:
JeanPaulSartrebrachtebeiseinerRückkehrausdenU.S.A.seinStück„LaPutainrespec-
tueuse“ (Die ehrfurchtsvolle Hure) auf die französische Bühne. Es hätte ebensogut von
einem Autor „von drüben“ verfasst sein können, denn es behandelt das Vorurteil der
RassesowiedasPharisäertum,Themen,die immerwiedervonRichardWrightundErskin
Caldwellausgewertetwurden.250
LaPutain respectueusehat seineWirkungauf dasDenkenundSchreiben öster-
reichischerAutorInnennicht verfehlt, etwa aufMiloDor, der in seinerAutobio-
graphieberichtet,dasseinevon ihmbesuchtePariserAufführungseinVerhalten
denVereinigtenStaatengegenüber„auf langeZeit, letztlichbisheute“251, beein-
flussthat.
Auch inÖsterreichselbstbeginntmanà l’américainezuschreiben,moniert
Thomas Bernhard, der Anfang der fünfziger Jahre als Kulturredakteur in der
amerikanischen Besatzungszone Salzburg arbeitet: „Damals […] haben die
Leute ja,auchdiebekannten, immerRomanegeschrieben,die inOklahomage-
spielt habenoder inNewYork.KeinMensch ist aufdie Ideegekommen,daßer
das beschreibt, wo er lebt undwo er aufgewachsen ist undwovon erwirklich
wasweiß.“252Verwundern tut ihndasnicht, inAnbetrachtdesRezeptionsange-
bots (134 Millionen englischsprachige Bücher werden allein in den Marshall-
plan-Jahren 1948 bis 1953 in Umlauf gebracht):253 Die Schaufenster der
250 o. V.: Amerika in dermodernen französischen Literatur. In: Kulturelles, 12.01.1948.Wer
erfolgreichdiesenEindruck, ‚vondrüben‘ zu sein, erweckt, ist SartresundBeauvoirsBekann-
terVian, der vor allem in seiner Funktion alsLes Tempsmodernes-Redakteur undMusikkriti-
ker als Vermittler amerikanischer Kultur auftritt: „Americawas one of Vian’smost enduring
fascinations, born of a love of jazz and matured by the postwar Continental vogue for all
things transatlantic.“Halpern: Prince of Saint-Germain. In: TheNewYorker, 25.12.2006.Mitte
der vierziger Jahre schreibt Vian als „ImaginaryAmerican“ (Fiedler: Cross theBorder–Close
theGap, S. 277) unter demPseudonymVernon Sullivan vier Pastiche-Kriminalromane ameri-
kanischerArt,alsderenÜbersetzerersichausgibt,darunterdenAufsehenerregendenBestsel-
ler J’irai cracher sur vos tombes. Selbst Beauvoir bemerkt erstwährend ihresUSA-Aufenthalts
1947, dass es Sullivan nicht gibt. Cf. Simone de Beauvoir: Lettres à Sartre, 1940–1963. Paris
1990,S.308.
251 MiloDor: Auf dem falschenDampfer. Fragmente einer Autobiographie.Wien, Darmstadt
1988,S.204.
252 ThomasBernhard. In: Kurt Hofmann:AusGesprächenmit ThomasBernhard.Mit Photo-
graphien von SeppDreissinger und Emil Fabjan und einer Vorbemerkung des Verlags.Wien
1988,S.26.
253 Von großer Bedeutung als Vermittlungsorte amerikanischer Literatur sind zudem die
Amerika-Häuser,wie Judt betont: „[A] significantpercentageof thepopulationofViennaand
5.2 LiterarischeDarstellungendesExistentialismusals Jugendkult 143
Existentialismus in Österreich
Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Titel
- Existentialismus in Österreich
- Untertitel
- Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Autor
- Juliane Werner
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-068306-6
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 378
- Kategorie
- Kunst und Kultur