Seite - 152 - in Existentialismus in Österreich - Kultureller Transfer und literarische Resonanz
Bild der Seite - 152 -
Text der Seite - 152 -
bal de l’hommeaumonde; il en proposait une image fantastique et insupportable, sim-
plementennous lemontrantà l’envers.)25
Die genanntenVerkehrungen,Widersprüchlich- und Zwiespältigkeiten inKafkas
Weltenstehenebenfalls fürAlbertCamus imVordergrund,wieer anhandderEr-
zählungDieVerwandlung (1912) ausführt, inder sichderHandlungsreisendeGre-
gorSamsaeinesMorgens„zueinemungeheuerenUngezieferverwandelt“26sieht:
DieVerwandlungdagegen ist gewißdie entsetzlicheBildfolge einerEthikderHellsichtig-
keit. Sie ist aber auch das Produkt jenes unberechenbaren Staunens, das der Mensch
empfindet, wenn er das Tier spürt, das ermüheloswird. In dieser grundlegenden Zwei-
deutigkeit liegt Kafkas Geheimnis. Dieser ständigeWechsel zwischen Natürlichem und
Außergewöhnlichem, zwischen IndividuumundAllgemeinem, zwischenTragik undAll-
täglichem, zwischen Absurdem und Logischem geht durch sein ganzes Werk und gibt
ihmseineResonanzund seineBedeutung.Diese Paradoxamüssenaufgezählt, dieseWi-
dersprüchemüssenherausgestelltwerden,umdasabsurdeWerkzuverstehen.27
(LaMétamorphose, à sontour, figurecertainement l’horrible imageried’uneéthiquede la
lucidité.Maisc’estaussi leproduitdecet incalculableétonnementqu’éprouve l’hommeà
sentir labêtequ’ildevientsanseffort.C’estdanscetteambiguïté fondamentalequeréside
le secretdeKafka.Cesperpétuelsbalancementsentre lenaturel et l’extraordinaire, l’indi-
viduet l’universel, le tragiqueet lequotidien, l’absurdeet le logique, se retrouvent à tra-
vers toute sonœuvre et lui donnent à la fois sa résonanceet sa signification. Ce sont ces
paradoxes qu’il faut énumérer, ces contradictions qu’il faut renforcer, pour comprendre
l’œuvreabsurde.)28
Camus hängt der zweiten Auflage seines LeMythe de Sisyphe 1948 die Studie
„L’espoir et l’absurdedans l’œuvredeFranzKafka“an, die inder Erstausgabe
der deutschen Zensur zum Opfer gefallen ist, und zählt Kafka darin zu den
ganz nach demAbsurdenund seinenKonsequenzen ausgerichteten Existenzi-
alphilosophInnen und -romanschriftstellerInnen („romanciers et philosophes
existentiels, tout entières tournéesvers l’absurdeet ses conséquences“29). Stär-
kernochals Sartrewirkt CamusaufdenweiterenRezeptionsverlauf desWerks
Kafkas außerhalb Frankreichs ein. „War esnicht so“, fragt beispielsweise Jean
Améry, „daß Kafka erst über Paris und namentlich den ‚mediterranen Kafka‘,
25 Beauvoir:LaForcede l’âge,S. 214 (Hervorhebung imOriginal).
26 FranzKafka:DieVerwandlung.NachwortvonEgonSchwarz.Stuttgart 1999,S. 5.
27 Albert Camus: Der Mythos des Sisyphos. Deutsch undmit einem Nachwort von Vincent
vonWroblewsky.Reinbek2000,S. 167.
28 Camus:LeMythedeSisyphe,S. 174.
29 Camus:LeMythedeSisyphe,S. 183.
152 6 StimmenderGegenwart:ExistentialistischeLiteratur
Existentialismus in Österreich
Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Titel
- Existentialismus in Österreich
- Untertitel
- Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Autor
- Juliane Werner
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-068306-6
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 378
- Kategorie
- Kunst und Kultur