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ein „müdes ‚Fortwursteln‘“ erkennt in diesem Sinne Ernst Fischer in den
Nachkriegspublikationen, deren qualitative Dürftigkeit er im Dreiparteienblatt
NeuesÖsterreichbemängelt, der erstenZeitung, dienach 1945vondenAlliierten
eineLizenzerhältundderenersterChefredakteurer ist:
WennwirunsnunvorAugenhalten,wasdieösterreichischenVerlegerbisheranBüchern
herausgebrachthaben,mußmanalsÖsterreicherwahrhaftSchamempfinden.Wirhaben
wenig Papier – aber dieses Papier wird zu einemwesentlichen Teil für die Herausgabe
belangloser, abgeschmackter und in jederHinsicht überflüssiger Romane verschwendet.
Daßheute jedesBuchgekauftwird, ist keinerleiEntschuldigung fürdenTriumphderBa-
nalität undMittelmäßigkeit, den die meisten Neuerscheinungen darstellen. Wennman
augenblicklich keinen Autor findet, der das neue Österreich repräsentiert, dann möge
man dem österreichischen Leser, der jahrelang von der Kulturwelt abgeschnitten war,
englische, russische, amerikanische, französische Literatur in gutenÜbersetzungen ver-
mitteln,Werke von Dichtern und von Kämpfern, die uns Ernsteres, Packenderes zu be-
richten haben als irgend welche lächerlichen Ehekonflikte und faden erotischen
Verwicklungen.103
DieBehauptung, esgebeeinfachnicht genugguteAutorInnen, zeugt fürderen
Fürsprecher HansWeigel von „Böswilligkeit und Nichtwissen“104. Die Jungen
dichten ins Leere, sofern sie „keine klangvollen Namen“ haben, bestätigt aus
ErfahrungThomasBernhard1952 imSalzburgerDemokratischenVolksblatt:„Es
ist nicht wahr, wennman von einer Schwäche, Ausdrucksnot und Oberfläch-
lichkeit des Nachwuchses spricht, aber es könnte sein, daßman es versäumt,
diesen am Glauben an die Zukunft Gebrochenen hilfreich unter die Arme zu
greifen?“105 Lohnend wäre es, so Weigel, zwar würde nicht aus jedem „ein
neuerTraklundeinneuerKafka“:„AbermindestenseinTraklundeinKafka ist
zweifellosunter ihnen.“106
NachdemvonVerlegerInnen-Seite noch inden fünfziger JahrendasVeröf-
fentlichenunbekannterAutorInneneinzugroßes finanziellesWagnisdarstellt,
sinddiesemehrheitlich„zumSchweigenverurteilt“107.Auf Interesse stoßensie
zunächst beim „undogmatischen Sozialisten“108 Otto Basil in der Zeitschrift
Plan (1945–1948)–die Informationsquelleund„zugleichein forumfürdieersten
103 ErnstFischer:UmeingeistigesÖsterreich! In:Fischer:Das JahrderBefreiung,S. 98–100,
hierS.98,99. [Zuerst in:NeuesÖsterreich,04.01.1946.]
104 HansWeigel:Autoren,dieunsnicht erreichen.Zur tragischenSituationder jungenöster-
reichischenLiteratur. In:Arbeiter-Zeitung,24.09.1950.
105 Bernhard: JungeDichter inÖsterreich,S. 15.
106Weigel:Autoren,dieunsnichterreichen. In:Arbeiter-Zeitung,24.09.1950.
107 Hahnl: Zur Situation der Literatur, S. 24. Cf. Lunzer: Der literarische Markt 1945–1955,
S.32,34.
108 Sommer:Basil–Doderer–Gütersloh,S.37.
166 6 StimmenderGegenwart:ExistentialistischeLiteratur
Existentialismus in Österreich
Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Titel
- Existentialismus in Österreich
- Untertitel
- Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Autor
- Juliane Werner
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-068306-6
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 378
- Kategorie
- Kunst und Kultur