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Existentialismus in Österreich - Kultureller Transfer und literarische Resonanz
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ersetzt somit das stimmige Kausalgefüge des bereits durchdachten Erlebten („du vécu déjà repensé“271), von dem sich auch Lilly von Sauter 1948 in der Europäi- schenRundschauabwendet: WasderHelddesRomans erlebt, soll darumausdem tiefstenWesendesMenschen stei- gen, vor allem aber nicht mehr sich aus sozialen Bedingtheiten ergeben. Mit dem im Romandes 19. JahrhundertsunerläßlichensozialenRahmen,deralleReaktionenderein- mal hineingestellten Personen bestimmte, ist es ein für allemal vorbei. Die Helden des wirklichmodernen Romans sind Entwurzelte, ihrer gesellschaftlichen Kleider Beraubte, die sich nicht als Angehörige einer bestimmten Klasse oder Generation zu betragen haben,sonderneinfachalsMenschen.272 Mit dem stärkeren Außerachtlassen sozialer Implikationen (zu einer Zeit, als das naturalistische Schreiben im akademischen Bereich in Österreich beson- dere Aufmerksamkeit erfährt)273 geraten auf ihre Grundlosigkeit (gratuité) zu- Dostojewski betrachtet: „[W]enn wir über unsere Epoche Aufschluß geben wollten, mußten wir dieRomantechnik vonderNewtonschenMechanik zur allgemeinenRelativität übergehen lassen, unsere Bücher mit halb-klaren und halb-dunklen Bewußtsein bevölkern, […] von denen aber keines gegenüber dem Ereignis noch gegenüber sich selbst einen privilegierten Standpunkt hätte, mußtenwir Geschöpfe darbieten, […] die niemals von innen entscheiden können,obdieVeränderung ihrerSchicksalevon ihrenBemühungen, ihrenFehlernoderdem LaufderWeltherrührten“. („[I]l nous fallait, si nousvoulions rendrecomptedenotreépoque, fairepasser la technique romanesquede lamécaniquenewtonienneà la relativitégénéralisée, peuplernos livresdeconsciencesàdemi lucideset àdemiobscures, […] dontaucunen’aurait sur l’événementni sur soi depoint de vueprivilégié, présenter des créatures […] qui nepour- raient jamaisdéciderdudedans si les changementsde leursdestins venaient de leurs efforts, de leurs fautes oudu cours de l’univers“.) Sartre:Was ist Literatur?, S. 173. (Sartre: Qu’est-ce que la littérature?, S. 224.) Zum ‚Proto-Existentialisten‘Bachtin cf. Tzvetan Todorov:Mikhaïl Bakhtine: leprincipedialogique suivi deÉcritsduCercledeBakhtine. Paris 1981.AmBeispiel des Helden aus DostojewskisAufzeichnungen aus demKellerloch (1864), einer Prosa, die be- reits als „the best overture for existentialism ever written“ bezeichnet wurde (Walter Kauf- mann: Existentialism fromDostoevsky to Sartre. New York 121960, S. 14), expliziert Bachtin seine dem Sartreschen Denken nicht unverwandte Idee der Unabgeschlossenheit des Men- schen:„Heknows thathehas the finalword,andheseeksatwhatever cost to retain forhims- elf this finalword about himself, theword of his self-consciousness in order to become in it thatwhichhe isnot.His consciousnessof self livesby itsunfinalizability, by itsunclosedness and its indeterminancy.“MikhailBakhtin:ProblemsofDostoevsky’sPoetics.Hg.undEnglisch vonCarylEmerson,EinleitungvonWayneC.Booth. (TheoryandHistoryof Literature8.) Lon- don,Minneapolis 1999 [1984],S. 53. 271 Sartre:Qu’est-ceque la littérature?,S. 224,226. 272 L.v.S.:PorträtunseresHelden,S.806. 273 AbzulesenetwaamLehrveranstaltungsangebot zuGerhartHauptmannamInstitut fürGer- manistik (Deutsche und nordische Philologie) der Universität Wien (Vorlesungsverzeichnisse Sommersemester 1947, S. 37;Wintersemester 1947/48, S. 36; Sommersemester 1948, S. 38). Cf. auchWendelinSchmidt-Dengler:Germanistik inWien1945bis 1960. In:Grandner,Heiss,Rath- 6.4 LittératureengagéezwischenSprachskepsisundEngagement 199
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Existentialismus in Österreich Kultureller Transfer und literarische Resonanz
Titel
Existentialismus in Österreich
Untertitel
Kultureller Transfer und literarische Resonanz
Autor
Juliane Werner
Verlag
De Gruyter Open Ltd
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-11-068306-6
Abmessungen
15.5 x 23.0 cm
Seiten
378
Kategorie
Kunst und Kultur
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