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destoweniger „blankes Unverständnis und Ablehnung“367 von der Öffentlich-
keit erntend). Der „Art Club“ ist die Existentialismus-Hochburg (cf. Kap. 5.1)
undzugleich „ZentrumdesdamaligenSurrealismus“368mit denKünstlerInnen
derWienerSchuledesPhantastischenRealismuswieErnstFuchs,RudolfHaus-
ner undWolfgang Hutter. Hervorzuheben ist weiters die Gruppe um den aus
demSaarland stammenden Edgar Jené,mit MaxHölzer Herausgeber von Sur-
realistische Publikationen (1950), eine Gruppe, die „die künstlerische Frei-
heit“369 als gemeinsamer Nenner vereine, die aber nicht aus PhilosophInnen
bestehe: „Sie versuchennichts zubeweisen, sondernzuverändern, sie tundas
nichtmit Sentenzen, sondernmit Kunstwerken.“370 InAnbetracht derArt,wie
sich die meisten SurrealistInnen von der äußeren Realität abwenden hin zu
„unbewußten Seelenvorgänge[n]“371, betont Jené, dass die Strömungweder Il-
lustrationnochAnwendungder Psychoanalyse sei;wohl aber ziehemannach
demKrieg die „Kompetenz des Verstandes“372 als Trieb-Unterdrücker in Zwei-
fel. In diesemKontext nennt Jené die Vorzüge, die die SurrealistInnen gegen-
überdenExistentialistInnenhätten:
Sie hegen die Hoffnung, die Struktur dermenschlichen Seele zu verändern, denWider-
spruch in ihremWesenzuüberbrücken,unausgeschöpfteFähigkeitenzuheben, zueiner
totaleren Vision derWelt zu gelangen und demLeben einen neuen Sinn zu geben, der
nachBreton inderLiebe,derDichtung,der Freiheit, derRevolte gefundenwerdenkann.
Man ersieht daraus, wodurch sie sich von den Existenzialisten, den Aposteln der Ver-
zweiflungunterscheiden.Heute,nachdemzweitenWeltkrieg,dadieSituation, indieder
Menschgestellt, nochhoffnungsloserundauswegloser ist alsnachdemersten,denMen-
schen das Gefühl der Ohnmacht und Verlassenheit befallen hat, er sich – ummit den
Existenzialistenzusprechen–alsFremder ineiner fremdenWelt fühltundausder tragi-
367 Englerth, Gausterer undKaukoreit: Österreichs Literaturzeitschriften 1945–1990 imÜber-
blick, S. 19. Die vorderste Aufgabe der SurrealistInnen sei es, Skandale zu provozieren,mo-
niert Sartre, unddie österreichische Presse (die auchdenExistentialismus für ein Skandalon
hält) stimmt zu, dass es sichumeine „skandalöseKunstrichtung“handelt (Okopenko:Meine
WegezumSchriftsteller,S. 114).DerSurrealismussorgt indenRedaktionender ihnvermitteln-
den Periodika für erhebliche Spannungen, beim Plan, dessenVorkriegsausgabe (1938, Nr. 3)
einSurrealismus-Sonderheft ist, und insbesonderebeidensichalsAvantgarde-Zeitschrift ver-
stehendenneuewege.
368 F. Hundertwasser: Ich hattewenigmitzureden (1980). In: Breicha (Hg.): Der Art Club in
Österreich,S.41–44,hierS.44.
369 ArnulfNeuwirth:AufeinenNennergebracht (1980). In:Breicha (Hg.):DerArtClub inÖs-
terreich,S.34–45,hierS.34.
370 Edgar Jené: Über den Surrealismus. In: EuropäischeRundschau 2 (1947), Nr. 15, S. 709–
711,hierS.711.
371WalterHollitscher:UeberSurrealismus. In:ÖsterreichischesTagebuch, 12.04.1947.
372 Jené:ÜberdenSurrealismus,S. 710.
6.4 LittératureengagéezwischenSprachskepsisundEngagement 217
Existentialismus in Österreich
Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Titel
- Existentialismus in Österreich
- Untertitel
- Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Autor
- Juliane Werner
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-068306-6
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 378
- Kategorie
- Kunst und Kultur