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schenconditionhumainekeinenanderenAuswegsiehtalsdasNichts,bedeutetderSurre-
alismuseineHoffnung.373
Sartre, dessen eigene „rationalist philosophy of consciousness“374 diesem
„Kampf gegen die Uebermacht von Ratio und Logik“375 ferner nicht stehen
könnte, bescheinigt dem Surrealismus einen Geist der Negativität („esprit de
Négativité“376). ProblematischausSichtdesvonderSubjektivität ausgehenden
Existentialismus ist derAngriff auf alles Freiwillige unddieAuflösungderGe-
gensätzevonWachheitundTraum,LebenundTod,PhantasieundWirklichkeit
sowie Zukunft undVergangenheit, auf dass sich dieWelt als radikalerWider-
spruch zu erkennen gebe. Aus diesem Grund kann die der Parti Communiste
zwischenzeitlichnahestehendeStrömung fürSartrenichtwirklich revolutionär
sein:„Denndas imKampfengagierteProletariatmuß in jedemAugenblick,um
sein Unternehmen verfolgen zu können, die Vergangenheit von der Zukunft,
dasReale vom Imaginärenunddas LebenvomTodunterscheiden.“377 („Car le
prolétariat engagé dans la lutte a besoin de distinguer à chaque instant, pour
mener à bien son entreprise, le passé du futur, le réel de l’imaginaire et la vie
de lamort.“378) Eine solche „Anti-littérature“379, diedieLiteratur selbst infrage
stelle, sei nach dem Zweiten Weltkrieg unbrauchbar und zeitfeindlich, wie
auchder österreichischeKritikerHerbert Eisenreichbeklagt, „pureVergangen-
heit“,die„anunserenProblemenkilometerweitvorbeischielt“380.
Ein tatsächlichesWiederaufleben des Surrealismus –weil sich, befördert
durchMauriceNadeaus1945publiziertesStandardwerkHistoiredusurréalisme,
vermehrt AutorInnen aus dem surrealistischen Umfeld (wie Jacques Prévert,
André Breton, Michel Leiris)381 in die existentialistische Szene von Saint-Ger-
main-des-Présmischen–hält Sartre für ein Fehlurteil. Für ein noch größeres,
dass manche ihn selbst als Chef des Neo-Surrealismus ausrufen, dem Eluard
undPicassounterstünden („je leur endemandebienpardonetn’ai pas encore
oublié,Dieumerci, que jeportais encoredes culottes courtes quand ils avaient
373 Jené:ÜberdenSurrealismus,S.710f.
374 Sartre: ItineraryofaThought,S.50.
375 Jené:ÜberdenSurrealismus,S.709.
376 Sartre:Qu’est-ceque la littérature?,S. 182.
377 Sartre:Was istLiteratur?,S. 138.
378 Sartre:Qu’est-ceque la littérature?,S. 189.
379 Sartre:Qu’est-ceque la littérature?,S. 138.
380 Herbert Eisenreich: Surrealismusundso. In:neuewege5 (1950),Nr. 54, S. 502–504,hier
S. 503.
381 Cf.Dugast:LaSituationculturellede laFranceaprès1945,S.311.
218 6 StimmenderGegenwart:ExistentialistischeLiteratur
Existentialismus in Österreich
Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Titel
- Existentialismus in Österreich
- Untertitel
- Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Autor
- Juliane Werner
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-068306-6
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 378
- Kategorie
- Kunst und Kultur