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bleiben, imVertrauen,daßes ihngibt“, jenemSinnnämlich,dersich„amGanzen
derErfahrungverifiziert“undder„seineBrauchbarkeit imFeldedergesellschaftli-
chenKommunikationerweist“414.Wedersinnhaftnoch inunmittelbarerWeiseauf
dieWirklichkeitbezogen,haben Irenes„Wortaufhäufungen“ ihreZeichenfunktion
eingebüßt,wodurchsich jeder„Wort-undDenkwechsel“415mit ihrverunmöglicht.
InQu’est-ceque la littérature?antizipiert SartredieseGefahr:„Unddannmißtraue
ich demUnkommunizierbaren, das ist dieQuelle jeder Gewalt.WenndieGewiß-
heiten, derenwir uns erfreuen, unsunmöglichmitteilbar erscheinen, dannbleibt
nur noch zu schlagen, zu verbrennen oder aufzuhängen.“416 („[J]ememéfie des
incommunicables, c’est la source de toute violence. Quand les certitudes dont
nous jouissonsnoussemblent impossiblesà fairepartager, ilne resteplusqu’àse
battre, àbrûlerouàpendre.“417)DocherfährtLefeubaldselbst,wiedemKommu-
nizierbaren Grenzen gesetzt sind, dass es denWorten bisweilen nicht gelingen
kann,diegewissenErlebnissenangemessenenEmotionenzuevozieren. ZumVer-
sagen der sprachlichenMittel vor derWirklichkeit, welche, angewiesen auf das
Wort,zugleichvonihmzerstörtzuwerdendroht,heißtes:
Wennselbst incrucialenMomenteneinerExistenznurWörter sichdarbieten,diedurchden
dokumentarischenoderauchdichterischenVerbrauch(‚einGrabindenLüften‘)vollkommen
ausgelaugt, also zwar sachlichdurchausbe-deutend, aberdemErlebnisfaktumnichtgemäß
sind,wirdderwortohnmächtigeBetroffeneeineTendenzhaben,aufdieAussagezuverzich-
tenunddiesicheinstellendenWortgemächtevonsichzuschieben:mitEkel.418
Mit der Einsicht, dass es keine „sachgerechte[n]Worte“ geben kannund jeder
Ausdruck „zur Entwertung des Tatbestandes selber verurteilt“ ist, entwickelt
Lefeu ein gewisses Verständnis „für die Demolitions-Poeten“ und sagt zuletzt
wie Irenesogar„ja zur literarischenSelbsttäuschung“419.AufmehrerenEbenen
verhandelt der Roman die Debatte umAdornos Ausspruch, „nachAusschwitz
ein Gedicht zu schreiben, ist barbarisch“420, ebensowie die Überlegung, dass
„ein konkretes Gedicht heute genauso eineKampfansage gegendas Establish-
ment istwie ein ästhetischesMaoabzeichen“421. Der vonSartre undCamusbe-
414 Améry:LefeuoderDerAbbruch,S.37,8,56,71.
415 Améry:LefeuoderDerAbbruch,S. 153.
416 Sartre:Was istLiteratur?,S. 217.
417 Sartre:Qu’est-ceque la littérature?,S. 282.
418 Améry:LefeuoderDerAbbruch,S. 125, 122.
419 Améry:LefeuoderDerAbbruch,S. 122, 123, 103, 127.
420 TheodorW. Adorno: Kulturkritik und Gesellschaft. In: Adorno: Kulturkritik und Gesell-
schaft 1,S. 11–30,hierS.30.
421 A.K.:marginalie. In:manuskripte (1969),Nr. 25,o.S.
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Existentialismus in Österreich
Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Titel
- Existentialismus in Österreich
- Untertitel
- Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Autor
- Juliane Werner
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-068306-6
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 378
- Kategorie
- Kunst und Kultur