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wirklicheAvantgardenichtnurSprachebenützen, sondern sie schreibendher-
vorbringen sollte („une avant-garde réelle suppose que l’écrivain ne se borne
pas à user du langage, mais qu’il le crée en écrivant“428). Mit Sprache solle
nicht gespielt werden, sie müsse eine neue Wirklichkeit konstruieren, eine
neue Sicht des Realen ausdrücken, für die den Menschen noch die Worte
fehlen.
Die jungen experimentellen KünstlerInnenwissen: „mit einer umwertung
der begriffe, derwerte, ist es niemals getan, ganz abgesehendavon, dass eine
solche je schon wieder organisation voraussetzt, mindestens aber hervor-
ruft“429, weshalb sie eine neue Wirklichkeit „mit der neuen grammatik ein-
schmuggeln“möchten,soWiener:
mit der geschichte lehne ichauchdiemit ihr kompromittierte spracheab. ich schaffedie
nicht abdochdekretiere ich verrottungmittels der gesamtkunstwerkemeiner gespräche.
das einzelne wort ist nicht inhaltslos, nicht mehr- oder vieldeutig, es arbeitet nicht im
handelsüblichensinnderkommunikation;nochmehr, esgehtdaumdasherauselemen-
tierendesbegriffs,abtötungdurchanatomieder lage.430
AlsösterreichischeBesonderheit erfolgtdiegesellschaftlicheHinterfragung„im
Duktus einer akribisch-aggressiven Sprachkritik“431 und ist nicht im engeren
Sinne politisch, sondern „kritik an staat undwirklichkeit durch kritik an der
sprache“; sowohl das Sartresche Engagement als auch surrealistische Metho-
den fließen ein in diese originär „anti-etatistischeund anti-autoritäre haltung,
die überschreitung der gattungsgrenzen und der grenzen von kunst und
leben“432 vorsieht.Während die Einschätzungen zur Bedeutung des Surrealis-
mus fürdieösterreichischeLiteraturweit auseinandergehen–keineKunstrich-
tunghabe„so tiefeSpuren inÖsterreichhinterlassenwiederSurrealismus“433,
428 Jean-PaulSartre:Avant-garde?dequoietdequi? In:ContatundRybalka (Hg.):LesÉcrits
deSartre,S.421. [Zuerst in:LeNouvelObservateur, 20.–26.10.1965.]
429Wiener:DieVerbesserungvonMitteleuropa,S.CXLIV.
430Wiener:DieVerbesserungvonMitteleuropa,S.XXXVII,XXXVI.
431 Rabenstein-Michel: Bewältigungsinstrument Anti-Heimatliteratur, S. 1. Cf. Friedbert As-
petsberger:SprachkritikalsGesellschaftskritik.VonderWienerGruppezuO.Wieners„diever-
besserung vonmitteleuropa, roman. In: Zeit- und Gesellschaftskritik in der österreichischen
Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts. Hg. vom Institut für Österreichkunde. Wien 1973,
S. 145–170.
432 PeterWeibel:vorwort. In:Weibel (Hg.):diewienergruppe,S. 15.
433 RüdigerWischenbart: Zur Auseinandersetzung umdieModerne. Literarischer „Nachhol-
bedarf“ – Auflösung der Literatur. In: Aspetsberger, Frei und Lengauer (Hg.): Literatur der
Nachkriegszeit,S. 351–366,hierS.353.
226 6 StimmenderGegenwart:ExistentialistischeLiteratur
Existentialismus in Österreich
Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Titel
- Existentialismus in Österreich
- Untertitel
- Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Autor
- Juliane Werner
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-068306-6
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 378
- Kategorie
- Kunst und Kultur