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der seineStudentin IngeborgBachmann in ihrerDissertation spricht.Am „Ernst
undEngagementdesexistentiellenDenkens“76Gabriels,dessenSohnLeoGabriel
Jr. sich gut andie Sartre- undCamus-Bücher und „die existenzphilosophischen
Erörterungenmeines Vaters“77 erinnert, besteht nach Erscheinen seiner für die
wissenschaftliche Sartre-Rezeption als Pionierarbeit zu wertenden Studie Exis-
tenzphilosophievonKierkegaardbisSartre (1951)keinZweifelmehr.Dasdarinmit
„Selbstschöpfung“ betitelte Kapitel macht auf fünfzig Seiten mit Sartres Werk
vertraut, inderüberarbeitetenNeuauflagedesBuchesvon1968,Existenzphiloso-
phie:Kierkegaard,Heidegger, Jaspers,Sartre.DialogderPositionen,wirddasKa-
pitel (nun „L’homme se fait“ genannt) um eine kurze Gegenüberstellung von
SartreunddemösterreichischenDialogphilosophenFerdinandEbnerergänzt.78
Kurz nach dieser Publikation taucht im Sommersemester 1952 der Begriff
„Existentialismus“ zum ersten Mal im Vorlesungsverzeichnis der Universität
Wienauf, inwelchemunter allen Instituten,die sichdesThemashättenanneh-
men können (so die Theaterwissenschaft oder die Romanische Philologie), nur
das Philosophische Institut im Verlauf der Besatzungszeit ein entsprechendes
Angebot aufweist. Auf Gabriels „Philosophie der Gegenwart II: Positivismus,
Existentialismus und neue Metaphysik“ folgt imWintersemester 1954/55 auch
für das internationale Publikum „Existentialism and Traditional Philosophy“,
woranweitere Vorlesungen anschließen, die die „Hörer in dasDenken von […]
SartreundCamus“79 einführen.ZusammenmitFriedrichKainzbegutachtetGab-
rich 1985, S. 122. Bachmann, deren Doktorvater Viktor Kraft ist, nachdem Alois Dempf
nachMünchenwechselt, absolviert „einenGroßteil derLehrveranstaltungen“bei LeoGabriel.
Cf. JosephMcVeigh: IngeborgBachmannsWien. 1946–1953.Berlin2016,S.47.
76Wucherer-Huldenfeld:LeoGabriel (1902–1987),S.623 (Hervorhebung imOriginal).
77 LeoGabriel Jr.: SelbstbewusstseinundBewusstseinswandel:AutobiographischeReflexionen
eines österreichischen Linken. In: Benedikt et al. (Hg.): VerdrängterHumanismus, S. 885–897,
hierS.886.
78 Neben längeren Abschnitten zu Kierkegaard, Heidegger und Jaspers wird in beiden Fas-
sungenunter verschiedenenGesichtspunktendasSchaffenNietzsches,Husserls,Rilkes,Berg-
sons, Diltheys, Simmels, Camus’, Marcels, Ebners undWusts behandelt, in der Neuauflage
zusätzlich jenesKafkas (cf.Kap.6.1).
79 HertaNagl-Docekal:Das Institut fürPhilosophiederUniversitätWien:DerStatusquound
seineGenese. EinVersuch. In: FischerundWimmer (Hg.):Der geistigeAnschluß.Philosophie
undPolitik anderUniversitätWien 1930–1950.Wien 1993, S. 206–220, hier S. 209.DassGab-
riel sichSartreauch indessencompagnonderoute-Jahrenwidmet (cf.Kap.8.2),dürfteaufden
ihmzugesprochenen „Vorauskonformismus gegenüber demKommunismus inGestalt der So-
wjetunion“zurückzuführensein:„Er firmierte inWienoderMoskaufürFriedensgesprächeauf
philosophischer Ebene.“Yvanka B. Raynova: Die ‚Wahrheit des Ganzen‘: Das Integrale Den-
ken LeoGabriels [AnmerkungderHerausgeber]. In: Benedikt et al. (Hg.): VerdrängterHuma-
nismus,S. 1057–1071,hierS. 1071.
7.2 ZuruniversitätsphilosophischenAufnahmedesExistentialismus 245
Existentialismus in Österreich
Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Titel
- Existentialismus in Österreich
- Untertitel
- Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Autor
- Juliane Werner
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-068306-6
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 378
- Kategorie
- Kunst und Kultur