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ExistentialismusJean-PaulSartre“82nochalsder„bekannteTheoretikerdesExis-
tentialismus“83nochalsPhänomenologe–öffentlichbesonderswahrgenommen
wird,als ‚tieferer‘Denkerseiner„schwierigenSprache“84wegeneherunbekannt
bleibt.DochauchandenösterreichischenHochschulaktivitätenbis indiesiebzi-
ger Jahre lässt sichnichtablesen,dasser„denuniversitärenFlügeldesExistenti-
alismus“85 repräsentiert.
Umgekehrt ist Camus, obwohl er durch sein Grenzgängertum zwischen
Prosa, Dramen, Journalismus und Philosophie als „anti-academic“86 gilt, an
den Universitäten vergleichsweise präsent, zumindest im Bereich der Hoch-
schulschriften. Zusammenmit dem sich umfänglich in Periodika niederschla-
genden Interesse am ‚gottlosen‘Autor (cf. Kap.4.3) falsifiziert dieseNachfrage
zumindest quantitativ die auf anderen Ebenen zutreffende Einschätzung, dass
„der (sogenannte) christliche Existenzialismus eines Gabriel Marcel teils grö-
ßere Annäherungen als die atheistischen Positionen Sartres oder Camus’“87
erlaubt.
DieRezeptionsrealität imFalledesalskatholischenExistentialistenpräsen-
tiertenMarcel bildet seineBeliebtheit inmehrerenBereichennurmäßig ab: In
der Presse wird er wenig besprochen, auf den Bühnen (obwohl ein „äußerst
fruchtbarerDramatiker“88)kaumgespieltundandenUniversitäten isterweder
in der Lehre noch unter den Hochschulschriften auffällig vertreten. Dennoch
gebeesunter den französischenGegenwartsphilosophInnen „wohl keinen,der
inÖsterreich sobekanntwäre,wieGabrielMarcel“, äußertArmand JacobEnde
Dezember 1952 (alsounmittelbarnachSartresUnmuterregendemAuftritt beim
Wiener „Völkerkongress für denFrieden“; cf. Kap. 8.2): „VonSartrewird zwar
mehr gesprochen, aber GabrielMarcelwirdwirklich gelesen.“89 BevorMarcels
Studien inÜbersetzungerscheinen, sind seineVorträge, die imWiener Institut
Français etwa 500 Hörer anziehen, wahre „Publikumserfolge“90. Anlässlich
einesBesuchsaufEinladungderÖsterreichischenKulturvereinigungam9.Ok-
tober 1946 inWien spricht Marcel („einer der hervorragendsten Köpfe seines
Landes“),wiederWienerKurierberichtet, über seinProjekt „DieMethodender
82 o.V.:Kurznachrichten. In:Kulturelles, 10.05.1948.
83 o.V.:Kurznachrichten. In:GeistigesFrankreich, 17.03.1952.
84 Fischl: Idealismus,RealismusundExistentialismusderGegenwart,S.319.
85 Jurt: Jean-PaulSartreoderder totale Intellektuelle. In:NeueZürcherZeitung,22.05.1987.
86 Collins:TheSociologyofPhilosophies,S.780.
87 Angerer:VersucheinerZusammenschau,S.320.
88 HannsWinter:Das jüngsteFrankreich. In:Kontinente7 (1953),Nr. 1,S. 28–30,hierS. 28.
89 Armand Jacob: Das Geheimnis des Seins von Gabriel Marcel. In: Geistiges Frankreich,
29.12.1952.
90 Porpaczy:Frankreich–Österreich,S. 185.
248 7 DiePhilosophiedesExistentialismus inForschung,LehreundKritik
Existentialismus in Österreich
Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Titel
- Existentialismus in Österreich
- Untertitel
- Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Autor
- Juliane Werner
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-068306-6
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 378
- Kategorie
- Kunst und Kultur