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Frankreichbestimmt.Beidesehensichzunächst„inseltenerEinigkeit“117 in ihrer
Aversion gegen eine Philosophie, die weder Gott noch soziale Kräfte dermen-
schlichen Freiheit überzuordnen bereit ist, und gegen die existentialistischen
Werke,die fürsie„einwildesundlangweiligesGemengselmisanthropischerPhi-
losophie,krankhafterPathologieundPornographie“118darstellen,wobeiUmfang
undHäufigkeit der katholischenundkommunistischenAbwehr-Artikel deutlich
AuskunftüberdiegefühlteBedrohunggeben.Man fixiert sichvorallemaufden
Pessimismus undNihilismus der Sartreschen „Predigt desMenschenhasses“119,
weshalb derAutor seine auchdirekt an ihreAdressen gerichteteVerteidigungs-
RedebewusstL’Existentialismeestunhumanismenennt.
MitbeidenGruppen,diesichalsdieverlässlichstenVerbündeten imKampf
gegen denNationalsozialismus bewährt haben, kooperieren die französischen
Alliierten anfänglich, imZugeder EskalationdesKaltenKriegs schließlichnur
nochmitdenKatholikInnen.DieseZusammenarbeitmehrtaufkulturpolitischer
Ebene noch den mentalitätsbedingt schon gewichtigen Import von Schriften
deschristlichenExistentialismusunddesRenouveauCatholique, die„etablierte
Positionen des Aufnahmekontextes“120 unterstützen. Von der „Beliebtheit der
Autoren der Katholischen Erneuerungsbewegung“121 zeugen im Programm
der französischenKulturinstitute zahlreicheVeranstaltungenundVorträgezu
Léon Bloy, FrançoisMauriac, Charles Péguy und auch zuGeorges Bernanos,
der vielfachals christlicherVertreter desExistentialismus rezipiertwird. Peri-
odika nicht nur der französischen Besatzung erwähnen die „Höchstleistun-
gen“122 der katholischen Literatur Frankreichs, so spricht 1953 etwa die
amerikanischorientierte LiteraturzeitschriftKontinenteBloy, Péguy,Mauriac,
Bernanos, Claudel, Maritain undMarcel ihr Lob aus. Was diese AutorInnen
mit den existentialistischen eine, sei, dass sie ebenfalls „von den Konflikten
und von den inneren Spannungen des Gewissens“ ausgingen, allerdings auf
eineWeise, „die ganz natürlich zur Theologie führt“123, indem sie demMen-
schenzeigten,wieer sich„zurgottgewolltenBegegnungvorbereitenundsich
demWirkenderGnadeaufschliessen“124könne.
117 Felbick:SchlagwörterderNachkriegszeit 1945–1949,S. 267.
118 E.K.:EineVerzerrungdesMenschen. In:ÖsterreichischeZeitung, 15.11.1947.
119 Cf.O.S.:DieDramatikSartres–einePredigtdesMenschenhasses. In:ÖsterreichischeZei-
tung, 16.12.1950.
120 Espagne:DieRollederMittler imKulturtransfer,S.313.
121 Zankl und Unterweger: Frankreichs Feste im Freundesland und was darüber berichtet
wurde,S.322.
122Winter:Das jüngsteFrankreich,S. 28.
123 o.V.:GabrielMarcel. In:Kulturelles, 28.06.1948.
124 Jacob:DasGeheimnisdesSeinsvonGabrielMarcel. In:GeistigesFrankreich,29.12.1952.
254 7 DiePhilosophiedesExistentialismus inForschung,LehreundKritik
Existentialismus in Österreich
Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Titel
- Existentialismus in Österreich
- Untertitel
- Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Autor
- Juliane Werner
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-068306-6
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 378
- Kategorie
- Kunst und Kultur