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den,gibt eswohlkeinen,dernichtversuchthätte,denNihilismus irgendwiezuüberwin-
denundeinenAuswegaus ihmzufinden.142
EinenAuswegwünschenwürden sichnachFriedrichHeer somanche Sartre-
LeserInnen inAnbetracht der sich ihnendarbietenden „Welt derMörder und
Selbstmörder, der armen Teufel, der armenHuren, der armen Diebe-Narren-
Schriftsteller, ja des armen Teufels Gott“143, ausgeliefert dem Sartreschen
Kompositionskonzept,anwillenlosen, schwachen, feigenundbisweilensogar
grundschlechten Wesen („êtres veules, faibles, lâches et quelquefois même
franchement mauvais“144) die Ausweglosigkeit des unaufrichtigen Subjekts
darzustellen. Diejenigen Figuren, die es nicht von vornherein sind, werden
Fischl zufolge imVerlauf der Handlung „zu Schuften, Feiglingen, Verrätern,
Perversen oder Verbrechern“: „Alles ist an ihnen klein, schmutzig und ab-
surd.“145 Fischl hat offenbarMontesisDiagnose, dassdieseVersammlungun-
angenehmer Gestalten letztlich als Absage an die menschliche Existenz zu
verstehen ist, gründlich gelesen, denn auch sie zählt „Feiglinge, Schufte,
Heuchler, Verräter, Schwächlinge, Verbrecher, Pervertierte und dergleichen“
aufundbeanstandet vor allem „dieunverhüllt pornographischenDetails,mit
denender Leser geohrfeigtwird“146.DassSartresAusführungenzuZwischen-
menschlichem geeignet sind, „wegen ihrer Realistik zu befremden“, hat der
deutscheÜbersetzer von L’Être et le Néant, Justus Streller, schon geahnt und
sogleich bedauert, denngerade inder „Metaphysik der sexuellen Zärtlichkei-
ten“und im ‚BlickdesAnderen‘ sieht er einwirklichesNovum,dasSartrevon
Hegel,Husserl,Heideggerund sonstigen „geistigenVäter[n]“147 abhebe.Wal-
ter vanRossumwird später gerade inStrellersÜbersetzungdenUrsprungdes
(Image-)Problemssehen:
WerSartre inden fünfziger und sechziger Jahrenauf deutschgelesenhat, nennt ihnun-
weigerlich düster und negativ. Aber Sartre ist überhaupt nicht düster, auchwennman
seineTheaterstückewie dunkle Thesenstückeüber dasmenschlicheScheitern inszeniert
hat […], jedenfalls ist ernichtdüstereralsThomasMannoderAndréGide.Aberer ist voll-
142 Armand Jacob: Emil Cioran. In: Geistiges Frankreich, 31.03.1952.Wer hier allerdings be-
reits als „der reine, durch keine Selbstüberwindung entstellteNihilist“Erwähnung findet, ist
der nochweitgehend unbekannte Emil Cioran, ein „Alt-Österreicher aus Siebenbürgen“, der
nachdemStudiuminBukarestundanderWienerPhilosophischenFakultätnuninParis lebe.
143 Heer: InmemoriamJeanPaulSartre (LIT),Blatt 1.
144 Sartre:L’Existentialismeestunhumanisme,S.54.
145 Fischl: Idealismus,RealismusundExistentialismusderGegenwart,S.315.
146 Montesi:SartreunddieSartristen,S.670,669.
147 Justus Streller: Vorwort. In: Streller: Zur Freiheit verurteilt. EinGrundriß der Philosophie
JeanPaulSartres.Hamburg1952,o.S.
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Existentialismus in Österreich
Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Titel
- Existentialismus in Österreich
- Untertitel
- Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Autor
- Juliane Werner
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-068306-6
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 378
- Kategorie
- Kunst und Kultur