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kommen „negativ“. Allerdingsnicht imSinne „negativerDaseinsbefindlichkeiten“. In all
seinenWerken läßt Sartre die Negation als Kraft, als Potential der Freiheit, als Losrei-
ßungsvermögenzumZugekommen.148
DasPotential, dasdieserNegation innewohntundSartresStandpunkt fürContat
undRybalkazumGegenteildesNihilismusmacht,149ergreifenseineRoman-und
Bühnenfiguren nur bedingt. So bezeichnet Sartre etwa das Drehbuch Les Jeux
sont faits (1947), indemzweiTotedieChanceerhalten,kurz in ihrLebenzurück-
zukehren, umdessenungünstigeBilanz zukorrigieren, und trotz besterAbsich-
ten amDiktat ihrerUmstände scheitern, als nicht existentialistisch impositiven
Sinne, dader Existentialismusniemals gefalleneWürfel dulde.150 Einnachdem
Kriterium der gefallenen Würfel noch weniger existentialistisches Stück wäre
dannHuis clos, indemdrei sich inderHölleaufhaltendeFigurenohneeine sol-
cheChanceauf ‚Richtigstellung‘mit ihrenvergangenenUnzulänglichkeitenkon-
frontiertwerden, die an sichnichtmehr veränderbar sind,wohl aberdie eigene
Haltungdazu.AndiesemscheinbarenWiderspruchwirddeutlich:Keinesder li-
terarischenWerkedesExistentialismuswilleineVeranschaulichungdesgeglück-
ten Lebens sein, sondern möchte, wie Sartre in Qu’est-ce que la littérature?
präzisiert, mit zu überwindendenUngerechtigkeiten, Ausflüchten und Zweifeln
die LeserInnen auf ertragreiche Weise in das Geschehen involvieren (cf. Kap.
6.4).Montesiwundert sichüberHeldInnen, die der Philosophie nach eigentlich
„Freiheitsträger undSeinsverwandler“ seinmüssten, stattdessen aberunschlüs-
sigmiterleben,wie ihreWillensäußerungenund -akte„ständigvonunbewußten
Entscheidungen entkräftet, ja ins Gegenteil verkehrt“werden, was dem „offizi-
elle[n] Aktivitätsoptimismus des Systems“151 doch diametral entgegenstehe. Der
anderUniversitätWien lehrende JohannesMessnergehtnocheinenSchrittwei-
148 VanRossum:VonderRettungslosigkeitdesMenschen. In:DieZeit,07.02.1992.
149 Cf.ContatundRybalka:LaNausée–Notice,S. 1670.
150 Cf. Jean-PaulSartre:Les Jeux sont faits?Tout le contraired’unepièceexistentialiste,nous
dit Jean-PaulSartre. InterviewparPaulCarrière. In:LeFigaro, 29.04.1949.
151 Montesi: SartreunddieSartristen, S. 670, 669.DiekatholischePosition steht auch indie-
semPunkt imEinklangmitderkommunistischenHaltung:SosiehtdieÖsterreichischeZeitung
(Nikolai Karinzew: Propaganda der „Hölle“ und des „Wahnsinns“, 16.04.1947) den „tiefsten
Pessimismus“ des Existentialismus im „Fehlen jeglicher Perspektive“: „Nach Sartre hat der
Menschnur einenAusweg: aufmaschinelleArt andeneigenenQualenFreude zu finden. […]
Den Kampf aufgeben, sich den Lebensverhältnissen unterwerfen, wie scheußlich sie auch
seinmögen,unddarinErgötzenundVergessenfinden […].“DiewestlichenAlliiertengestehen
diesemPessimismushingegen sehrwohl ein gewissesAktivierungspotential zu:Die britische
Weltpresse (o.V.:Die französischeDichtungderGegenwart, 21.02.1946)begreift SartresPhilo-
sophie „als eineArt heroischenPessimismus […], der demMenschen als einzige Lösung und
Rettungdie freigewollte,menschenwürdigeTatempfiehlt.“
7.3 KatholischeKritikoder:DerExistentialismusalsNihilismus 259
Existentialismus in Österreich
Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Titel
- Existentialismus in Österreich
- Untertitel
- Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Autor
- Juliane Werner
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-068306-6
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 378
- Kategorie
- Kunst und Kultur