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zwischen1975und1985lässtSartremit31InszenierungenalleVergleichsautorIn-
nen hinter sich (Anouilh: 19, Cocteau: acht, Camus: sieben, und Beckett: 27),
wobei Sartres Ableben im April 1980 als Anlass durchaus eine Rolle gespielt
habendürfte (cf.Kap.9).
Verhinderte InszenierungenundLesungen abgezogen, verbleiben zwischen
1945und1955achtgrößereProduktionenvonsechsSartre-Stücken.AufDieFlie-
gen 1947/48 indenWienerKammerspielen (cf.Kap.3.2) folgt imJänner 1950das
StückDie ehrbare Dirne im Theater der Courage (Regie: August Rieger, der es
dort alsDie respektvolleDirneabdem19.02.1953neuerlich inszeniert), das eben-
falls aufwenigWiderhall stößt. Obwohl „skandalös schlecht“übersetzt, so das
UrteilderWeltamMontag,müsstedasStück„jeder junge, jederernsthafte, jeder
geistig interessierteMensch dieser Stadt kennenlernen“, was nicht der Fall sei:
„Infolge schlechterWitterungdesPublikums für alles,wasnicht längst ‚auspro-
biert‘undapprobiert ist, findendie interessantenVeranstaltungenimleerenSaal
statt.“18AuchderErfolgdes indenWienerKammerspielendargebotenenStücks
ToteohneBegräbnis (Premiere: 21.06.1952,Regie:OttoA.Eder)überdieKonflikte
innerhalb einer von Folter bedrohtenRésistancekämpferInnen-Gruppe hält sich
inGrenzen. Erstmit den Jahrenwird dieses schon in Frankreich „allgemein als
ein Fehlschlag“19 gewerteteDrama inÖsterreich erträglich, lässt der spätereAr-
beiter-Zeitungs-Chefredakteur Manfred Scheuch 1958 anlässlich der Produktion
imWienerStudio imSettlementwissen:
Es gehört Mut dazu, ein Stück […], das seinem Zuschauer nichts, gar nichts von der un-
menschlichenRealitätderFolterungerspart–ebenJeanPaulSartres„ToteohneBegräbnis“–
heute zuspielen.Voreinemknappen Jahrzehnt schonhat eseinTheater inWienzuspielen
versucht, abernachderentsetztenReaktiondes (gutbürgerlichen)Publikums istdieAuffüh-
rungüberdiePremierenichthinausgekommen.Seitherhat sichkeinesder subventionierten
Kellertheater,vondengroßenBühnenganzzuschweigen,überdiesesDramagewagt.20
„ermüdet die glühendsten Existentialisten“: „Kennen Sie Joyce, Kafka, Faulkner und Sartre?
Dann lesenSie,bitte,Beckettnicht,dennseineeinzigeOriginalitätbestehtdarin, Ihneneinen
Cocktail ausdenbedeutendstenRomanender genanntenDichter zumixen.“ (S. 316) Becketts
literarischeFormhabe, soGuyardsüberraschender Standpunkt, „nicht einmalmehrdenReiz
derNeuheit“:„DasabsurdeNichtsderExistenzbiszum ‚Ekel‘vorzuführen istSartre inseinem
Romanmit einergeballtenKraft gelungen,dieunspackt,wieunsdasProduktvonBeckettnie
packenwird.“ (S. 317) Cf. auchHannes Schweiger: Failing better. Die Rezeption Samuel Be-
cketts inÖsterreich. (Wechselwirkungen8.)Bern2005,S. 133–136.
18 o.V.:Die Jungen. In:WeltamMontag,23.01.1950.
19 o. V.: Les Mains Sales (Schmutzige Hände) von Jean-Paul Sartre. In: Kulturelles,
26.04.1948.
20 ManfredScheuch: Literatur der äußerstenSituation. JeanPaul Sartres „Tote ohneBegräb-
nis“. In:neuegeneration8(1958),Nr.4,S. 10.
268 8 SartreundderkulturelleKalteKrieg
Existentialismus in Österreich
Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Titel
- Existentialismus in Österreich
- Untertitel
- Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Autor
- Juliane Werner
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-068306-6
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 378
- Kategorie
- Kunst und Kultur