Seite - 272 - in Existentialismus in Österreich - Kultureller Transfer und literarische Resonanz
Bild der Seite - 272 -
Text der Seite - 272 -
Neumanns Parodie – die über den Dramenstoff hinaus einige in L’Être et le
Néant behandelte Themenkomplexe wie Psychoanalyse und Homosexualität
einbezieht, weiters philosophische Einflüsse von Kierkegaard und Heidegger,
Biographeme („Gymnasialprofessor“) sowie, als unverzichtbare Ingredienz in
existentialistischerLiteratur, einigeObszönitäten–schleicht sich„mitHilfeder
zunächst harmlosenMimikry in dieWelt des literarischen Opfers ein“, so der
Autor, um inweiterer Folge„das sogestohlene Idiom“ zuverwendenund„das
Opfer zu attackieren, zu entlarven […] durchdieseun-gutmütige, un-humorige
Aggression“32.
Auf skurrileWeiseverwertetWolfgangBauer,dessenFrühwerkeinendeut-
lichen„Einflussvon IonescoundSartre“33 erkennen lässt,Huis clos speziell im
1961entstandenenEinakterBatyscaphe17–26oderDieHölle istoben.Hierinbe-
gleitet ein Reporter eine Gruppe von Verstorbenen (eine Frau, einen Mann,
einenMörder, einen Kleeianer, einen Komponisten und einen Surrealisten) in
einer Tauchkugel ins Jenseits und erstattet telefonisch Bericht über die Ge-
schehnisse anBord.Währenddiemeisten InsassInnensichnur schwermitder
neuen Situation abfinden, beschließt die Frau: „Oben ist die Hölle! Die vielen
Menschen… einer furchtbarer als der andere…hier ist es viel schöner.“34 Sar-
tresStückwirdseltenohneEinbindungdeshierangedeutetenundzumSignum
gewordenen Ausspruchs, die Hölle seien die anderen („l’Enfer, c’est les Au-
tres“35), literarischaufgegriffen.Wiederholt aufdasnegativeMenschenbildan-
gesprochen, das der Formel zugrunde liegen müsse, berichtigt Sartre, das
Miteinander sei zwar per se konfliktreich, infernalisch jedoch nur im Falle
‚schlechter‘ Beziehungen, in denen sich das für seine Selbsteinschätzung
grundsätzlich auf andere angewiesene Ich in vollkommene Abhängigkeit von
diesen begebe („dans la totale dépendance d’autrui“: „Et alors en effet je suis
32 Robert Neumann: Zur Ästhetik der Parodie. In: Neumann: Die Parodien, S. 551–563, hier
S. 556.
33 Korte:ÖsterreichischeLiteraturderGegenwart,S.87.
34WolfgangBauer: Batyscaphe 17–26 oderDieHölle ist oben. In: Bauer: Einakter und frühe
Dramen.Hg. vonGerhardMelzer,mit einemNachwort vonManfredMixner. (Werke in sieben
Bänden, 1.) Graz,Wien 1987, S. 49–72, hier S. 69. Von der ZeitschriftNews (Pascher, Stroh,
Zobl: Lesetips für hundert Jahre, 01.07.1999) nach seinem Lieblingsbuch gefragt, antwortet
Bauer:„AlbertCamus:DerFremde.Hatmichzutiefst erschüttert, das irrationaleGetriebensein
unddieplötzlicheBewußtwerdungdesAbsurdeneinesgesamtenLebens.“
35 Sartre:Huisclos,S. 128.
272 8 SartreundderkulturelleKalteKrieg
Existentialismus in Österreich
Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Titel
- Existentialismus in Österreich
- Untertitel
- Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Autor
- Juliane Werner
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-068306-6
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 378
- Kategorie
- Kunst und Kultur