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des Schauspiel“ empfindet, sieht Sartre nicht als naiv an, dieser wisse vielmehr
genau,waser tue:
Denn JeanPaul Sartre unterscheidet sich vondenmeisten intellektuellenMitläuferndes
Kommunismus dadurch, daß er intelligent ist. Freilichmacht das seinMitläufertumnur
desto rätselhafterunddieWahrscheinlichkeit, daßesnicht langedabeibleibenwird,nur
destogrößer. […]Ganzgewiß ist er intelligenteralsalledieTröpfe,dieseiner„Bekehrung
zumKommunismus“Beifall klatschenund sie schmunzelnd exploitieren. Eswäre sogar
möglich,daßer ihnen insgeheimgenau jenesGefühlentgegenbringt,dassonst immersie
denExploitierten entgegenbringen:Verachtung. Sogarmöglich, daßnicht sie ihnexploi-
tieren, sonderner sie.Undvielleicht–mankanndasbei intelligentenMenschenniewis-
sen–vielleicht ister sogareinZynikerundnochnichtganzverloren.79
Sartrebeschwertsichmehrfachüberdie fürseinEmpfindenschwarzweißenErklä-
rungsangebote: Nicht-kommunistische KongressteilnehmerInnen wie er würden
automatischwahlweisealshintersLichtGeführteoderKomplizInnen („desdupes
ou des complices“80), als idiotisch („un imbécile“) oder niederträchtig („un sa-
laud“81)erachtet.ZwargehörterselbstnichtzudenMeinungsführerInnen(wiedie
sowjetischenSchriftsteller Simonow,FadejewundEhrenburg,die chinesischePo-
litikerin Song Qingling, die französischen Politiker Yves Farge und Pierre Cot
sowieder demWeltfriedensrat präsidierendePhysiker Frédéric Joliot-Curie), doch
genießt der „weltbekannte französische Schriftsteller“82 besonderen Status: „Der
Kongreßwar sichderAuszeichnungwohlbewußt,die ihmdiesebemerkenswerte
Begegnungverlieh.DieübrigenDelegiertenwarenbeklatschtworden,pflichteifrig
und in Maßen; Sartre wurde gefeiert.“83 Kommentare zum Kongress, in diesem
Fall veröffentlicht inderdeutschenWochenzeitungDieZeit, findensichnur in in-
ternationalen Periodika. Obwohl unter den 178 JournalistInnen aus 30 Ländern
wohlvertreten im Konzerthaus, halten die (nicht-kommunistischen) österreichi-
schenjedenKommentarvor ihremLesepublikumzurück. InAnbetrachtdersonsti-
genBerichterstattungzuSartre titelt dasvonErnstFischer,BrunoFreiundViktor
Matejka herausgegebene kommunistisch orientierte Tagebuch am 8. November
1952 ingroßenrotenLettern„Warumwirder jetzt totgeschwiegen?“:
Bisherhat jedenochsogeringfügigeAeußerungSartres imfranzösischenundhernach im
ganzen westlichen Blätterwald einen Sturm der Diskussionen entfacht. Diesmal bleibt
79 FriedrichTorberg:SartreoderDieehrbareKoexistenz.ZurWienerAffäreumdie ‚Schmutzi-
genHände‘. In:FORVM1(1954),Nr. 10,S. 16–17,hierS. 16f.
80 Sartre:LeCongrèsdeVienne. In:LeMonde,01.01.1953.
81 Sartre:Ceque j’aivuàVienne,c’est laPaix. In:LesLettres françaises,01.–08.01.1953.
82 o.V.:Völkerkongreß fürdenFrieden,S.5.
83 Steffen:Pilgrimdes„Friedens“. In:DieZeit, 25.12.1952.
8.2WendepunktWien:SchmutzigeHände 281
Existentialismus in Österreich
Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Titel
- Existentialismus in Österreich
- Untertitel
- Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Autor
- Juliane Werner
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-068306-6
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 378
- Kategorie
- Kunst und Kultur