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„reaktionärstenAutoren“ samt „imperialistische[r] Ideologie“146. Ansonsten gro-
ßenWert auf denPublikumsbeitrag legend, offenbart SartresVerbot Bedenken,
obLiteratur,der solcherart„einStempelaufgedrückt“147wurde,nocheinAppell
andieFreiheitderLesenden(„unappelà la libertédu lecteur“) seinkönne,oder
obnichtvielmehrdievondenMedienkreiertenRezeptionsklischeesdieLeserIn-
nen ihrerVerantwortungenthöben, in jedemFallekonkret („enchaquecasconc-
ret“148)zuurteilen. ImKontextdesKongressesbestätigtsichfürSartre jedenfalls,
was er seit langemahntundbald ins Zentrumseines satirischenStücksNekras-
sov (UA 1955) stellenwird: dass die antikommunistische Presse einen lockeren
Umgang mit der Wahrheit pflege und nun sogar systematische, absurde und
schamloseLügen („systématiques, absurdes, éhontés“149) verbreite. Soberichtet
beispielsweiseLeMondevomNicht-ErscheinensichtbarbeimKongressanwesen-
derIntellektueller,woraufdiekonservativeNeueWienerTageszeitungam17.Feb-
ruar 1953 einen Artikel folgen lässt über Sartre, „der sich bekanntlich zum
kommunistischen Friedenskongreß in Wien angesagt hatte, aber dann doch
nicht erschienen ist“150. Die KP-nahe Boulevardzeitung Der Abend korrigiert:
„Noch vor wenigen Tagen schrieb die gleichgeschaltete Presse, die die Gesin-
nungsänderungSartresnichtwahrhabenwill, daßerdieTeilnahmeamVölker-
kongreß abgesagt hat. Doch Sartre ist gekommen!“151 Falschmeldungen dieser
Art haben die (pro)kommunistische Presse überzeugt, dass mit der geplanten
Volkstheater-Aufführung imDezember1952„offenkundig reaktionäreKräfteeine
Störaktion gegen den zu jener Zeit inWien abgehaltenenWeltfriedenskongreß
startenwollten“152.AuchSartrehältdasDatumfürkeinenZufall:
[Es] scheintnachmeinerAnsicht indenRahmenvonScharmützelndesKaltenKriegeszu
fallen. Ich desavouiere weder die ‚Schmutzigen Hände‘ noch irgendein anderesmeiner
Werke. Ichwill abernicht,daßmansich ihrer zuPropagandazweckenbedient […].Wenn
146 O. S.: Die Dramatik Sartres – eine Predigt desMenschenhasses. In: Österreichische Zei-
tung, 16.12.1950.
147 hs.:VielWasserum„SchmutzigeHände“. In:NeueWienerTageszeitung,24.09.1954.
148 Sartre:Qu’est-ceque la littérature?,S. 103, 288.
149 Sartre:Ceque j’aivuàVienne,c’est laPaix. In:LesLettres françaises,01.–08.01.1953.
150 o.V.:o.T. [S.8], in:NeueWienerTageszeitung, 17.02.1953.
151 o.V.: JeanPaulSartre inWien. In:DerAbend, 12.12.1952.DasTagebuchdrucktsicherheits-
halberam14.03.1953nebendenText (o.V.:Erschienenodernichterschienen?)einBeweisfoto
vonSartre inWien.
152 o. V.: Jean-Paul Sartre: Ich desavouiere die Aufführung. In: Österreichische Zeitung,
24.09.1954.
294 8 SartreundderkulturelleKalteKrieg
Existentialismus in Österreich
Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Titel
- Existentialismus in Österreich
- Untertitel
- Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Autor
- Juliane Werner
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-068306-6
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 378
- Kategorie
- Kunst und Kultur