Seite - 299 - in Existentialismus in Österreich - Kultureller Transfer und literarische Resonanz
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Auf die Existentialismus-Rezeption wirken sich die Theater-Skandale und
der realpolitisch folgenlosbleibendeVölkerkongressmerklichaus.„NachSartres
offener Hinwendung zumKommunismus begann die Haltung zu seiner Person
sichauf beidenSeiten zögernd in ihrGegenteil zuverkehren“172, bemerktKraus
zu Recht, nur dass sich die ‚Verkehrung‘ recht zügig einstellt. DieArbeiter-Zei-
tung findetesnachderPressekonferenz imSacher„betrüblich, einenMannvom
Format Sartres […] auf Befehl über den nun unangenehmgewordenen eigenen
Schattenspringenzusehen“173.BeiderPresse,dievomStückebenfallsbegeistert
ist, hatman gar „denbedrückenden Eindruck, einenMann sprechen zuhören,
derseinenüberfeinertenIntellektschließlichselbstandieKettegelegt, einenRe-
volutionär,dersichfreiwillig indietiefsteSklavereidesmenschlichenGeistesbe-
gebenhat.“174WährenddiewestlichausgerichtetenMedienzwardieSchmutzige
Hände- Aufführung gutheißen, aber den homo politicus Sartre mit Ablehnung
strafen, ist der Tonder KP-nahenBlätter, die das Theaterstück bekämpfen, den
Autor betreffend wie ausgewechselt. Wurden noch „seine konkretesten Solida-
ritätskundgebungen bis AnfangAugust [1952] von der kommunistischen Presse
entweder ignoriertoderbeschimpft“175, sorgtderVölkerkongress füreinabruptes
Ende der Kritik. DasÖsterreichische Tagebuch, in dem jahrelang zu lesenwar,
der Existentialismus sei an „flacherVerworrenheit und leichtfertigerAntihumani-
tät kaumübertreffbar“176, freut sich, dass der „Routinier der Verzweiflung“nach
„philosophischenKunststückenund literarischenKapriolen“177 nunden richtigen
Weg eingeschlagen und „die Zwangsjacke eines unnatürlichen Snobismus und
einerunfruchtbarenPhilosophie“178abgelegthat.AuchdieÖsterreichischeZeitung
ist erleichtert, den „Pseudoprophetender Finsternis undderVerzweiflung“179 die
„DürftigkeitseinerGedanken“180hintersichlassenzusehen,speziellseinNichtan-
erkennen der Kräfte des Fortschritts, seinenGlauben an die Unabhängigkeit des
172 Kraus:Kultura,S. 155.
173 o.V.:HerrSartreprotestiert. In:Arbeiter-Zeitung,24.09.1954.
174 o.V.:Makabres Intermezzo. In:DiePresse, 24.09.1954.
175 Jacob:DieAuseinandersetzungSartre-Camus. In:GeistigesFrankreich, 13.10.1952.
176WalterHollitscher: Ist der Existentialismus humanistisch? In:Österreichisches Tagebuch
3(1948),Nr. 12,S. 11–12,hierS. 11.
177 o.V.:Sartre. In:Tagebuch,08.11.1952.
178 Benedek:Zweimal JeanPaulSartre. In:Tagebuch,03.01.1953.
179 E.K.:EineVerzerrungdesMenschen. In:ÖsterreichischeZeitung, 15.11.1947.
180 O. S.: Die Dramatik Sartres– eine Predigt desMenschenhasses. In: Österreichische Zei-
tung, 16.12.1950. 8.2WendepunktWien:SchmutzigeHände 299
Existentialismus in Österreich
Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Titel
- Existentialismus in Österreich
- Untertitel
- Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Autor
- Juliane Werner
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-068306-6
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 378
- Kategorie
- Kunst und Kultur