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aigles,daimsdécoupésdansdubeaucuivrepatiné.Dansunpetit théâtre,desmarionnet-
tes charmantes jouaientL’Enlèvementau séraildeMozart.Aprèsun tour enautocardans
leSalzkammergut,nousrevînmesàMunich.)223
Als sie 1954, also 20 Jahre später, kurz vorderWienerPressekonferenz imHotel
Sacher, von Straßburg aus eine Tour durch Süddeutschlandunternehmen, fällt
Beauvoir auf,wie sie sichdort 1934weigerten, demdrohendenUnheil insAuge
zu sehen, außerstande, seineUngeheuerlichkeit zu ermessen. („[E]n 1934, nous
marchions sur ces remparts, refusant d’affronter l’imminente catastrophe, inca-
pables,mêmeSartre qui avait l’imagination dumalheur, d’enpressentir l’énor-
mité.“224) BeauvoirsTonähnelt jenemSartres, der inQu’est-ceque la littérature?
sich und den anderen intellektuellenOpfern des Desasters von 1940 („victimes
dudésastrede40“225) eineMitschuldanderKatastrophedesZweitenWeltkriegs
zuweist,weilsiesichnichtamVorabendvor,sondernamMorgennachdemletz-
ten Umsturz der Geschichte geglaubt hatten. Dass das Versäumnis, rechtzeitig
gegen dasUnrecht anzugehen, Sartre zurÜberkompensierung antreibt, ist eine
verbreiteteErklärung fürnachfolgendeunverhältnismäßigwirkendeHandlungen.
Ersei„obsessedwith theneedtoavoidmaking thesamemistakeagain“, schreibt
Judt,womit„themost rigidandextremepositions“226einhergingen.DieAngst,er-
neut nicht auf der Höhe der historischen Ereignisse zu sein, bedingt auch laut
Jean Améry Sartres spätere „realpolitisch aussichtslose“ und „vor dem Exzeß
nicht zurückscheuende […] revolutionäre […] Haltung“227. Gerade sein Eintreten
223 Beauvoir: LaForcede l’âge,S. 224.BevorBeauvoir inden fünfziger JahrenWienzumers-
ten Mal bereist, lebt schon ihre jüngere Schwester, die Malerin Hélène de Beauvoir, in der
Stadtmit ihremdrei Monate nach Kriegsende für zwei Jahre dorthin versetzten Gatten, dem
DiplomatenLioneldeRoulet. Cf. dieBeschreibungen imKapitel „VienneTrafique-City“ inHé-
lènedeBeauvoirsBuchSouvenirs (RecueillisparMarcelleRoutier.Paris 1987)überdie inWien
herrschende ‚Dritter Mann‘- bzw. ‚Hitchcock-Atmosphäre‘, mit Schwarzmarkt, nächtlichen
Schüssen,Ruinen,HungerundeinersichunterwürfigverhaltendenBevölkerung.
224 Beauvoir: La Force des choses, Bd. 2, S. 51. DieVolksstimme, das Zentralorgan der KPÖ,
erwähnt schon am29.09.1962 (e.sch.: Ein Lebenmit Sartre) diesenAspekt: „Unbeholfen und
vielleicht auchmit zuviel Distanz standen Simone de Beauvoir und Jean-Paul Sartre anfangs
zurPolitik. Ihre individualistischeArt, zureagieren, spiegelte sich indemEntschluß,aufeiner
ReisedurchMitteleuropaWienzumeiden.“
225 Sartre:Qu’est-ceque la littérature?,S. 239.
226 Judt:Past Imperfect,S.56.
227 Améry:Sartre:GrößeundScheitern,S. 253.
8.2WendepunktWien:SchmutzigeHände 309
Existentialismus in Österreich
Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Titel
- Existentialismus in Österreich
- Untertitel
- Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Autor
- Juliane Werner
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-068306-6
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 378
- Kategorie
- Kunst und Kultur