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Prolog26
Herrn zu erledigen60. Insbesondere die Kreditbeschaffung für den ständig von
Geldnöten geplagten Kaiser lag in seiner Hand61, doch läßt sich nicht feststel-
len, daß finanzpolitische Zwänge von Ilsung als Argumente in die politische
Diskussion eingebracht worden wären.
In Fragen der Religionspolitik mit den Brennpunkten Überwindung der
Glaubensspaltung und Reform der Kirche gehörten Seld und Gienger, beide
vom christlichen Humanismus eines Erasmus von Rotterdam geprägte Männer,
zu Kaiser Ferdinands engsten Beratern62. Außerdem zog er zu diesen Proble-
men meistens einige Theologen und Kenner des kanonischen Rechts heran, die
nicht an seinem Hof tätig waren, wobei er Wert darauf legte, verschiedene An-
sichten zu hören. Für die hier behandelte Zeitspanne sind vor allem Staphylus
und Witzel zu nennen, die beide zeitweilig Luther gefolgt, aber wieder zur
katholischen Kirche zurückgekehrt waren und nicht nur am Kaiserhof als vor-
zügliche Kenner der religiösen Verhältnisse im Reich galten.
Friedrich Staphylus (1512–1564) hatte in Krakau, Padua und schließlich viele
Jahre in Wittenberg studiert, wo er in enge Beziehungen zu Melanchthon, aber
auch zu Luther und anderen Reformatoren getreten war. Als Professor der
Theologie in Königsberg war er dort ein Hauptgegner Osianders, verließ da-
nach den preußischen Dienst und ging nach Schlesien, wo er Ende 1552 zum
Katholizismus konvertierte63. 1555 wurde der inzwischen im Dienst des Bi-
schofs von Breslau stehende Staphylus von König Ferdinand zu seinem Rat
ernannt64, 1560 wurde er Superintendent der Universität Ingolstadt65. Es liegt
nahe, daß Staphylus nicht zum wenigsten wegen seiner Kenntnis der evangeli-
schen theologischen Ansichten und Streitigkeiten von Ferdinand im Zusam-
menhang mit seinen religiösen Ausgleichsbemühungen auf Reichsebene heran-
gezogen wurde. Nach dem Wormser Colloquium veröffentlichte er zwei pole-
mische Streitschriften. Die Aufgabe, den kaiserlichen Oratoren am Konzil in
Trient als theologischer Berater beizustehen, lehnte Staphylus ebenso ab wie
eine Berufung durch die päpstlichen Konzilslegaten66.
Georg Witzel (1501–1573)67 stand seit 1542 in Kontakt mit mehreren engen
Mitarbeitern Ferdinands – Gienger, Jonas und Zasius –, wahrscheinlich hatte
ihn der damalige Bischof von Wien Friedrich Nausea empfohlen68. Als junger
Mann war er ein Anhänger Luthers gewesen, hatte sich aber 1531 vom Luther-
tum abgewandt. Witzel, ein theologischer Autodidakt, war ein fruchtbarer
Schriftsteller, der in den zahlreichen offenen theologischen Fragen wie Erasmus
60 Grundlegend ist die Dissertation von Dworzak.
61 Dworzak, S. 38 u. S. 51f
62 Der Nuntius Delfino bezeichnete Seld einmal als „vero moderatore de li pensieri dell’imperatore
in cose simili [gemeint waren religionspolitische Fragen]“ (NB II 3, S. 73).
63 Zu den biographischen Daten vgl. Müller, Staphylus, passim, und Bundschuh, S. 387. Eine neue
Studie wäre wünschenswert, da die ältere Arbeit von Soffner nicht mehr befriedigen kann.
64 Soffner, S. 36
65 Das entsprach in etwa der Stellung eines Kurators (Müller, Staphylus, S. 38).
66 Dazu NB II 1, S. 269ff
67 Jüngste, den Forschungsstand markierende biographische Skizze bei Henze, S. 15–27; ausführli-
cher Trusen, Einheit, S. 1–39; vgl. auch Bäumer, Witzel, passim, und Bundschuh, S. 389f.
68 Henze, S. 52f; Trusen, Einheit, S. 26
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Titel
- Ferdinand I. als Kaiser
- Untertitel
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Autor
- Ernst Laubach
- Verlag
- Aschendorff Verlag
- Ort
- Münster
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 786
- Schlagwörter
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Kategorie
- Biographien