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Zur Vorgeschichte des Augsburger Reichstages 33
liege also die Entscheidung über ein Scheitern der Verhandlungen15. Die Be-
gründung gibt zugleich einen Fingerzeig, daß Ferdinand in der Linzer Erklä-
rung substantielle Zugeständnisse an die Protestanten erblickte, deren Geneh-
migung durch den Bruder ihm nicht zweifelsfrei sicher zu sein schien. Die wei-
teren Verhandlungen mit Moritz von Sachsen, zumal dessen Ablehnung des
Reichstages als nicht geeignetes Forum16, mußten die Einsicht fördern, daß
Karls Absicht nicht durchsetzbar sei, und die Bereitschaft zu Konzessionen in
Gestalt von präzisen Sicherungen für die Protestanten erhöhen. Auf dieser Li-
nie lagen die in Passau von den vermittelnden Ständen vorgeschlagenen und von
Ferdinand übernommenen Klarstellungen. Sie betrafen einmal den Charakter
des Anstandes, der nun als „bestendiger fridstand“ zwischen Kaiser, König und
Reichsständen definiert wurde, sowie seine Dauer „bis zu endlicher verglei-
chung der zwispaltigen religion“ – also nicht, wie in den vierziger Jahren üblich,
bis zum Zusammentritt der nächsten Versammlung! Sie schlossen ferner andere
als „fruntliche und fridliche mittel und wege“ zur Einigung aus. Der weiterge-
hende sächsische Vorstoß, den Weg über das Konzil für ungangbar zu erklären
und die Religionsfrage stattdessen einer „Nationalversammlung“ zuzuweisen17
– deren Risiken etwa in der Leitung mangels Vorbildern für Kaiser und König
nicht abzusehen waren –, wurde mit der Begründung abgewehrt, daß man bei
der Entscheidung über Weg und Verfahren zur Religionsvergleichung der Ge-
samtheit der Reichsstände nicht vorgreifen dürfe. Also sollte der nächste
Reichstag darüber befinden, als denkbare Wege wurde die bereits zitierte vier-
gliedrige Formel aufgenommen18. Darüber hinaus konzedierte Ferdinand dann
auch noch Zusätze, die der Furcht der Protestanten vor einfacher Majorisierung
vorbeugen sollten: Als Vergleichung habe eine von Kaiser und Ständen beider
Konfessionen gefundene Regelung zu gelten19 – die geforderte Einmütigkeit
konnte Moritz nicht durchsetzen –, und dem Reichstag sollte die Berufung
eines konfessionell paritätisch besetzten Sonderausschusses zur Erarbeitung der
geeignetsten Lösung empfohlen werden. Abgewiesen wurden dagegen die Ver-
suche, den für die Protestanten bisher günstigsten Reichstagsabschied von
Speyer aus dem Jahr 1544 ausdrücklich zur Rechtsgrundlage der interkonfes-
sionellen Beziehungen zu erklären20, was einer Aufhebung des weniger günsti-
gen Abschiedes von 1548 und des Interims gleichgekommen wäre. Jedoch ließ
Ferdinand, obwohl sonst überall die Prämisse spürbar wird, daß man auf dem
Reichstag den Weg zur Einigung finden werde, schließlich auch jene Formulie-
rung zu, welche die Möglichkeit eines Fehlschlages in Rechnung stellte, wenn
15 F. an Karl, 22.4.1552 (Druffel 2, S. 418; eine lückenhafte Übersetzung bei Bucholtz 7, S. 73
Anm.)
16 So schon in Linz und nochmals in Passau (Druffel 3, S. 407 u. S. 485, vgl. Bundschuh, S. 16). Zu
Moritz’ politischer Strategie 1552 die Studie von K.E. Born.
17 Druffel 3, S. 485
18 Neue Sammlung 3, S. 5 § 6; zur Beratung und Erweiterung der Formel vgl. Laubach, National-
versammlung, S. 39f.
19 „wie die [vergleichung] alsdan durch die Kai.M. und gemeine stende sowol der Augspurgischen
confession verwant als des andern tails, fur nutz und gut...bedacht und beschlossen wird...“
(Druffel 3, S. 508 mit Anm. l und m)
20 Wie Anm. 16; zur Abwehr des Ansinnens Druffel 3, S. 461 u. 507 Anm. c
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Titel
- Ferdinand I. als Kaiser
- Untertitel
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Autor
- Ernst Laubach
- Verlag
- Aschendorff Verlag
- Ort
- Münster
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 786
- Schlagwörter
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Kategorie
- Biographien