Seite - 38 - in Ferdinand I. als Kaiser - Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
Bild der Seite - 38 -
Text der Seite - 38 -
Kapitel 1: Ferdinand und der Augsburger
Religionsfrieden38
als notwendige Voraussetzung zur Bewältigung der beiden anderen Probleme,
wofür er die Abhaltung des Reichstages als einzig gangbaren Weg bezeichnete:
Nur vom Reichstag könne die dringend nötige Reichshilfe erlangt werden, ohne
die, da seine erschöpften Erblande die Last der Türkenabwehr allein nicht mehr
tragen könnten, ein Abfall der Ungarn – mit vom Kaiser unschwer zu ermes-
senden Folgen – zu befürchten sei. Ebenso könne nur auf dem Reichstag eine
Lösung für die Beendigung des religiösen Zwiespalts gefunden werden. Daher
müsse man sich dort in erster Linie (principallement) damit beschäftigen, ob ein
Generalkonzil oder Nationalkonzil oder Kolloquium oder etwas anderes am
zweckmäßigsten sei, denn ohne die Wiederherstellung der religiösen Einheit
werde es keinen dauerhaften Frieden im Reiche geben. Die Aussichten seien
nach dem Abbruch des Konzils von Trient wohl günstiger, weil die Stände des
Zwistes müde wären; dagegen sei vom Papst wenig Förderliches zu erwarten –
damit sollte dem Kaiser eine Rückzugslinie verlegt werden –, da er sich ebenso
weigere, die Mißbräuche abzustellen, wie die Lutheraner an ihren Übergriffen
festhielten. Darum forderte Ferdinand den Kaiser auf, den Reichstag wenigstens
schon anzusagen und die Zeit, die zwischen Ausschreibung und Zusammentritt
zu vergehen pflegte, dafür zu nutzen, um die Befriedung des Reiches in der
angegebenen Weise voranzutreiben. Dann könnten sich die Reichsstände auch
nicht mehr unter Berufung auf die Unruhen dem Reichstagsbesuch entziehen.
Ferdinand vermied dabei die ausdrückliche Erwähnung des Passauer Vertrages,
obwohl sein Vorschlag zum Tagesordnungspunkt Religion ein sinngemäßes
Zitat daraus war. Vielmehr gab er dem Reichstag einen besonderen Stellenwert
als Ort, wo die universalen Kaiseraufgaben – Wiedergewinnung der Einheit im
Glauben und Planung der gemeinsamen Aktion gegen den Hauptfeind der
Christenheit – zur Beratung zu stellen und ihrer Lösung entgegenzuführen
wären.
Ferdinands Konzeption stieß bei Kaiser Karl auf wenig Gegenliebe, ohne daß
er eine klare Alternative zu erkennen gegeben hätte41. Auch das Reichstagspro-
gramm fand noch keine Zustimmung; den Bescheid, darüber könne man später
noch sprechen, wird man eher als Distanzierung von Ferdinands Beharren auf
der Passauer Formel zu interpretieren haben. Die Erinnerung an die längst fälli-
ge Einberufung quittierte Karl mit dem Hinweis, er habe schon Konsultationen
darüber bei den wichtigsten Reichsständen eingeleitet. Wirklich erging die Ein-
ladung am 24. Mai für den 16. August nach Ulm, aber auch durch diese kaiserli-
che Äußerung klingen Vorbehalte gegen den Passauer Vertrag hindurch. Zwar
wurde die Einberufung mit Karls in Linz bzw. Passau gegebenem Versprechen
begründet, doch über die dort konkretisierte Zielsetzung ging das Schreiben mit
ganz allgemeinen Bemerkungen zu der beklagenswerten Zerrüttung der Ver-
hältnisse im Reich, welcher der Reichstag abhelfen müsse, hinweg42. Ein weite-
res Indiz für Karls Abneigung gegen Ferdinands an Passau orientiertes Reichs-
tagsprogramm ist seine Idee, die Leitung der Versammlung der Königin Maria
41 Vgl. das Referat der Antwort Karls bei Lutz, Christianitas, S. 192f, nach Lanz, Corr.3, S. 559ff.
42 Druck bei Neudecker 1, S. 22–25
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Titel
- Ferdinand I. als Kaiser
- Untertitel
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Autor
- Ernst Laubach
- Verlag
- Aschendorff Verlag
- Ort
- Münster
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 786
- Schlagwörter
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Kategorie
- Biographien