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Kapitel 1: Ferdinand und der Augsburger
Religionsfrieden40
weile die Fürsten nochmals zu persönlicher Teilnahme zu ermahnen. Die recht
unverbindlich gehaltene Frage nach Programm und Taktik beantwortete Ferdi-
nand nicht mit Vorschlägen, sondern nutzte sie zu dem nachdrücklichen Hin-
weis, daß der wichtigste Verhandlungspunkt durch die Passauer Vereinbarun-
gen längst gegeben sei. Ob der Kaiser gleich zu Anfang Vorschläge zu den Pas-
sauer Artikeln machen oder ob er zunächst die Meinung der Stände dazu ein-
holen wolle, sei zwar eine kaiserliche Ermessensentscheidung, indessen für den
Ablauf des Reichstags so wesentlich, daß er, Ferdinand, vorher darüber Klarheit
haben müsse. Jedoch könne der Reichstag keinen Erfolg haben, wenn weiterhin
von kaiserlichen Räten am Hof und im Reich behauptet werde, ihr Herr fühle
sich nicht an den Vertrag gebunden, weil darin „unerträgliche“ Bestimmungen
enthalten seien, die er, Ferdinand, verschuldet haben solle; solches Desavouie-
ren seiner Bemühungen sei schlechter Lohn für ihn, und das Infragestellen des-
sen, was der Kaiser bestätigt habe, sei nicht angängig.
Das war eine Aufforderung an den Kaiser, Farbe zu bekennen. Es ist be-
greiflich, daß Ferdinand, der ja eine Art Garantie für die Einhaltung des Passau-
er Vertrages übernommen hatte, eine grundsätzliche Erklärung des Kaisers
verlangte, ja sie zur Bedingung für seine Bereitschaft machte, die Leitung des
Reichstages im Frühjahr zu übernehmen, falls Karl dann noch immer indispo-
niert sein sollte. Ebenso wollte er jetzt endlich Klarheit über Karls konkrete
Absichten mit dem Reichstag haben. Auch wenn ihm selbst anscheinend nur
eine vorbereitende Aufgabe zugedacht war49, mußte er doch darüber orientiert
sein, ob der Kaiser etwa noch auf dem Standpunkt vom Frühsommer 1552
stand, lediglich eine Bestätigung des auf den vorhergehenden Augsburger
Reichstagen festgelegten Verfahrens – Überwindung der religiösen Streitfragen
durch Entscheidungen eines Generalkonzils – zuzulassen, oder ob seine Hal-
tung flexibler geworden war50. So verzichtete Ferdinand auf konkrete Vor-
schläge bzw. auf eine Erinnerung an sein ein Jahr zuvor angeregtes Programm.
Karls Antwort war in den Hauptpunkten unbefriedigend51. Die unausweich-
liche Verschiebung des Reichstagsbeginns hatte er zwar umgehend vorgenom-
men, aber der Forderung, endlich energisch gegen den Markgrafen Albrecht
vorzugehen, begegnete er trotz Ferdinands Hinweis auf den Zusammenhang
mit der Reichstagsfreudigkeit der Stände mit dem Vorschlag, den Streitfall eben
dort zur Schlichtung zu stellen. Zur Kernfrage nach seiner Stellung zum Pas-
sauer Vertrag umging er eine klare Antwort: Er übersandte Ferdinand einen
Entwurf für die den künftigen kaiserlichen Reichstagskommissaren zu erteilen-
de Instruktion einschließlich einer Skizze für die Proposition. Hervorgegangen
war diese Ausarbeitung aus einer aspektreichen und sehr umsichtig argumentie-
renden Denkschrift des Reichsvizekanzlers Seld über die Möglichkeiten und
49 Karl hatte geschrieben, er möge den Reichstag wie seinerzeit zuletzt in Worms [sc. 1545] leiten
(Druffel 4, S. 336); dorthin war er dann selbst nachgekommen.
50 Die letzte quasi programmatische Äußerung Karls, die sog. Revokation, hat durchaus beharren-
de Tendenz. Ob Ferdinand sie gekannt hat, ist unsicher, nach Lutz, Christianitas, S. 495–497
(Exkurs II), wenig wahrscheinlich. Turba, Beiträge 3, S. 242, hatte aus den oben referierten
Ausführungen Ferdinands abgeleitet, er habe gerüchteweise davon gewußt.
51 Karl an F., 3.2.1554 (Lanz, Corr. 3, S. 604ff)
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Titel
- Ferdinand I. als Kaiser
- Untertitel
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Autor
- Ernst Laubach
- Verlag
- Aschendorff Verlag
- Ort
- Münster
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 786
- Schlagwörter
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Kategorie
- Biographien