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Zur Vorgeschichte des Augsburger Reichstages 41
Risiken des Reichstags für die kaiserliche Politik52. Karls ambivalente Charakte-
risierung der Papiere als Erläuterung seiner Position einerseits, als pures Dis-
kussionsmaterial andererseits53 ließ jedoch offen, wie weit er sich mit diesem
Programm identifizierte oder von ihm distanzierte. Lutz mochte auch nach
eingehender Analyse nicht entscheiden, ob die Ausführungen Selds mehr als
„Plädoyer für eine konziliantere Haltung des Kaisers“ und weniger als „Inter-
pretation der kaiserlichen Willensrichtung“ gemeint waren und ob der Um-
stand, daß Selds Vorschläge in der Substanz unverändert in das Ferdinand vor-
gelegte Papier übernommen wurden, wenigstens als vorläufige Billigung ange-
sehen werden kann54. Wie dem auch sei, Ferdinand mußte, wenn er die Diskus-
sion vorantreiben und abweichende Vorstellungen zur Geltung bringen wollte,
sie in kritischer Auseinandersetzung mit dieser Vorlage entwickeln.
Seld betrachtete den Passauer Vertrag – in Übereinstimmung mit Ferdinands
Ansicht – als rechtskräftige Grundlage des Reichstages. Infolgedessen erörterte
er eingehend die durch die einzelnen Bestimmungen gegebenen Bindungen, die
Möglichkeiten ihrer Revision oder Korrektur und die daraus abzuleitende
Strategie für die Reichstagsverhandlungen. Das Generalkonzil sollte trotz aller
negativen Erfahrungen als der nach wie vor eigentlich richtige und sicherste
Weg zur Glaubenseinheit (Religionsvergleichung) bezeichnet werden; Natio-
nalkonzil und Reichsversammlung wurden abgelehnt, letztere sei für die Religi-
onsvergleichung nicht zuständig und werde zu einem „ewigen ufschub“ führen;
einem Religionsgespräch könne zugestimmt werden, wenn sichergestellt sei,
daß es nur beratenden Charakter habe, seine Ergebnisse Kaiser und Reichsstän-
den zur Ratifizierung vorgelegt würden und dadurch den Entscheidungen des
Generalkonzils nicht vorgegriffen würde. In der taktisch wichtigen Frage, wie
der Kaiser in der Proposition zu den Passauer Vorgaben Stellung nehmen solle,
hatte Seld, da er Karls Abneigung gegen diese Bindung zu berücksichtigen hat-
te, die Empfehlung gegeben: Der Kaiser möge seine Ansicht den Ständen zu-
nächst gänzlich verbergen und sie einfach fragen lassen, was denn ihrer Mei-
nung nach zum Wohl des Reiches zu besprechen sei55. Dementsprechend war
der Entwurf für die Proposition gestaltet.
Der erhaltene Entwurf für Ferdinands Antwort läßt auf eine gründliche Be-
ratung der Brüsseler Papiere schließen, denn er weist mehrere Überarbeitungen
aus, darunter zahlreiche Korrekturen von der Hand seines Vizekanzlers Jonas56.
52 Die Denkschrift als Anhang ediert bei Lutz/Kohler. Das Verhältnis von Denkschrift und In-
struktion ist erörtert ebda. S. 15f. sowie früher bei Lutz, Christianitas, S. 497f. Eine das Konzil
betreffende Passage hat eingehend besprochen Lutz, Rückblick.
53 Lanz, Corr. 3, S. 608f: „Quant a leclaircissement que desirez avoir de mon intencion sur aucuns
points, et memement quant a ce quon avoit publie touchant le traite de Passau, je ne vous y
pourroyeplus clairement satisfaire, que par un ecrit que jai fait concevoir pour suggerer matiere a
linstruction ... quest seulement, comme je dis, un pourject et non finale resolution...“
54 Lutz, Christianitas, S. 224f; Vogel, S. 27 tendiert zur erstgenannten Alternative.
55 Lutz/Kohler, S. 163f; dazu Lutz, Christianitas, S. 220. Die auf Grund von Ferdinands Stellung-
nahme überarbeitete Instruktion jetzt z.T. publiziert von Kohler, Quellen, S. 433–453, hier bes.
S. 434 Anm.
56 Zum Folgenden: F. an Karl, 27.2.1554 in HHStA Wien, RK, RTA 28, Konv. 3 n.1 (Konz. u.
Ausf.). Anscheinend war die Vorbereitung zunächst unter zwei Sachbearbeiter aufgeteilt wor-
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Titel
- Ferdinand I. als Kaiser
- Untertitel
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Autor
- Ernst Laubach
- Verlag
- Aschendorff Verlag
- Ort
- Münster
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 786
- Schlagwörter
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Kategorie
- Biographien