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Kapitel 1: Ferdinand und der Augsburger
Religionsfrieden46
fernzubleiben; daher warnte Ferdinand, eine Wiederaufnahme des Projektes
werde sehr nachteilige Folgen haben77.
Ferdinand hatte den Kaiser in den beiden letzten Jahren schon öfter mit
Nachrichten versorgt, nach denen der Plan der sog. Spanischen Sukzession der
Position der Habsburger im Reich abträglich sei78. Tatsächlich gab es immer
wieder Mutmaßungen über zu erwartende kaiserliche Initiativen, allerdings
hatte Ferdinand auch Meldungen, daß Karl die Nachfolge Philipps im Reich
nicht mehr weiterverfolgen wolle79; erst kürzlich hatte der Kaiser bemerkt, er
sehe zur Zeit keine Möglichkeit, das Projekt bei den Kurfürsten durchzuset-
zen80. Aber das genügte seinem Bruder offenbar nicht. Die Verknüpfung des
Themas mit der Frage des Reichstagsbesuches der Stände erweckt vielmehr den
Eindruck, als ob der König hier einen zusätzlichen Stoß gegen das von ihm
lange bekämpfte und auch sein persönliches Verhältnis zu Karl erheblich bela-
stende Projekt führen wollte, denn die Warnung, die Erfolgsaussichten des so
wichtigen Reichstages würden dadurch gefährdet, hatte doch nur Sinn, wenn
der Kaiser zu einer erkennbaren Distanzierung bewogen werden sollte. Es ist
anzunehmen, daß Ferdinand an einer überdurchschnittlichen Reichstagsteil-
nahme nicht nur deshalb gelegen war, damit die dort zu fassenden Beschlüsse
eine breite Basis erhielten und die Befriedung des Reiches wirklich erreicht
würde, sondern auch, weil er seine eigenen Beziehungen zu den einflußreich-
sten Fürsten im Blick auf sein eigenes Kaisertum zu intensivieren wünschte und
in diesem Bestreben nicht durch gegenläufige Werbungen aus Brüssel gestört
werden wollte81.
Der einen Forderung Ferdinands kam der Kaiser endlich nach, indem er
Exekutionsmandate gegen Albrecht Alkibiades erließ82. Der Diskussion über
die Durchführung des Reichstags gab er eine neue überraschende Wendung, als
er dem Bruder Anfang Juni endgültig mitteilte, er selbst werde auf keinen Fall
nach Augsburg kommen – seine Anmerkung, damit wären jene Befürchtungen
über seine die Sukzession Philipps betreffenden Absichten gegenstandslos, be-
deutete freilich nicht die von Ferdinand erwartete Distanzierung –, und ihm
uneingeschränkte Vollmacht zur Leitung des Reichstages erteilte: Er solle alle
anfallenden Probleme nach eigenem Ermessen behandeln und entscheiden, kraft
seiner Autorität als Römischer König und ohne jede Rückfrage, so als ob der
77 F. an Karl, 26.4.1554 (Druffel 4, S. 130f.) Die dortige falsche Zuordnung zu 1553 ist mehrfach
korrigiert, zuletzt Lutz, Christianitas, S. 231 Anm. 144. – Kurz vorher hatte Zasius ihm das auch
unter katholischen Fürsten umlaufende Gerücht zugetragen, der Kaiser sei angeblich entschlos-
sen, Philipps Erhebung durchzusetzen, „es wer durch handlung oder mit gewalt“, und darum
wollten die Fürsten den Reichstag nicht persönlich besuchen (Druffel 4, S. 453: Zasius an F.,
14.4.1554; vgl. Ernst, Bw. 2, S. 452f; Brandi, Passauer Vertrag, S. 415).
78 Vgl. Lutz, Christianitas, S. 230f; zum Gesamtproblem Laubach, Karl V., bes. S. 33ff
79 z.B. Druffel 4, Nr. 265, S. 267ff
80 Karl an F., 3.2.1554 (Lanz, Corr. 3, S. 606; Brandi, Karl V. Bd. 1, S. 525) Vgl. aber auch Karls
Schreiben an Philipp v. 2.4.1553 (ref. v. Lutz, Christianitas, S. 204).
81 Ferdinand ließ sich z.B. vom Bischof von Passau über die Stimmung unter den Fürsten gegen-
über Kaiser und König berichten (vgl. Reichenberger, S. 41), war also auf eine gewisse „Image-
pflege“ bedacht.
82 Lutz, Christianitas, S. 230; Sicken, Verein, S. 397
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Titel
- Ferdinand I. als Kaiser
- Untertitel
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Autor
- Ernst Laubach
- Verlag
- Aschendorff Verlag
- Ort
- Münster
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 786
- Schlagwörter
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Kategorie
- Biographien