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Eröffnung des Reichstages 53
heils blieben demgegenüber dürftig, denn bei den akzeptablen Verfahren Gene-
ralkonzil oder Colloquium verbreitete sich die Proposition mehr über deren
Nachteile oder Hindernisse, obgleich dann für jedes die königliche Förderung
zugesagt wurde, falls sich die Stände dafür entscheiden wollten114. Da jede Er-
wähnung des Passauer Vertrages vermieden war, fehlte auch die Erinnerung an
den darin vorgesehenen paritätischen Ausschuß, der zu Beginn des Reichstages
zwecks Erarbeitung eines geeigneten Verfahrens zur Religionsvergleichung
eingesetzt werden sollte. Dagegen waren die Aussagen zum zweiten Gegen-
stand, der Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung im Reich durch den
Landfrieden, präziser. Als wichtigste Mängel wurden die Langwierigkeit des
Ächtungsverfahrens gegen Friedensbrecher und Unzulänglichkeiten bei der
Unterstützung Angegriffener durch die Stände benachbarter Reichskreise an-
geführt, also Elemente der Exekutionsordnung. Hier war eine Empfehlung zum
Verfahren angeschlossen, nämlich die Vorarbeiten der Tagungen von Worms
und Frankfurt zu nutzen115. Weitere Beratungspunkte waren nicht spezifiziert,
es wurde einfach auf das Reichstagsausschreiben verwiesen.
Der vordergründige Tenor der Ansprache von Jonas116 war die Aufforde-
rung zu zügiger Beratung ohne zeitraubende Rückfragen („hindersichbrin-
gen“), weil die anstehenden Probleme längst bekannt seien. Im Unterschied zur
Proposition und gegen den Einspruch der kaiserlichen Kommissare wurde da-
bei ausdrücklich auf den Passauer Vertrag verwiesen117. Da die Nähe des Früh-
jahres das Aufflammen von „allerlay kriegsgewerb und andere schedliche prak-
tiken“ befürchten lasse, sei es angezeigt, die Probleme des Landfriedens bevor-
zugt zu behandeln, nämlich entweder parallel zu der Religionsfrage oder, falls
man die gleichzeitige Beratung nicht akzeptieren wolle, sogar an erster Stelle.
Ferner sprach Jonas die Empfehlung aus, „die religionsartikel durch ainen be-
sonderen ausschuss und die artikul den frieden belangend auch durch ain son-
dern ausschus oder durch gemaine reichsversamblung“ vorzunehmen118. Viel-
leicht hat Jonas den zuerst genannten, im Passauer Vertrag vorgesehenen Aus-
schuß sogar deutlicher in Erinnerung gebracht, als sein Konzept erkennen läßt;
im Protokoll des Passauer Gesandten ist notiert, den Ständen sei anheim gestellt
worden, „ob die baiden Puncten durch ausschuß mit und neben einander ver-
mög des Passauischen abschiedts ... oder nacheinander inn gemain zu bedennck-
hen seyen“119.
Wenn Ferdinand die Reichsstände mündlich daran erinnern ließ, daß man
sich in Passau auf ein bestimmtes Programm für den Reichstag gerade hinsicht-
lich der Religionsfrage geeinigt hatte, verfolgte er damit zweifellos eine be-
stimmte Absicht. Diese gegenüber Jonas’ Manuskript stärkere (zweimalige)
Erwähnung des Passauer Vertrages, die das „Passauer Protokoll“ festgehalten
114 Lehmann 1, S. 10; vgl. oben S. 45.
115 Lehmann 1, S. 11 links
116 Eigenh. Konzept in HHStA Wien, RK RTA 29b Konv. 1e, 4 Seiten.
117 Lutz/Kohler, S. 49: „das der Passauisch vertrag austrucklich angeregt worden, wir nit endern
mogen“.
118 Passauer Protokoll, fol 2v; vgl. Ernst, Bw. 3, S. 60 (Anm. 4)
119 Passauer Protokoll, fol 4r
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Titel
- Ferdinand I. als Kaiser
- Untertitel
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Autor
- Ernst Laubach
- Verlag
- Aschendorff Verlag
- Ort
- Münster
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 786
- Schlagwörter
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Kategorie
- Biographien