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Kapitel 1: Ferdinand und der Augsburger
Religionsfrieden64
von Papst Julius III. (23. März) erforderlich geworden war. Die Hoffnung, der
unvermeidliche Kompromiß mit den Protestanten werde durch die Anwesen-
heit eines päpstlichen Legaten eine gewisse Sanktionierung erhalten, war da-
hin190. Ferdinand mußte einen Leitgedanken seiner Reichstagskonzeption auf-
geben.
Erstes Eingreifen Ferdinands in die Sachgespräche
Schon der Antrag der geistlichen Fürsten, ihnen Zeit für eine gründliche Bera-
tung unter sich einzuräumen, lief Ferdinands Wünschen nach zügiger Fortfüh-
rung der Verhandlungen zuwider191, so daß er statt der erbetenen vier Tage
allenfalls zwei zugestehen mochte. Als er erfuhr, daß die Geistlichen – wie Za-
sius sich ausdrückte – „in dem concept vill unnotwendig disputationem ubeten,
und im werk stuenden, allerley ungereimbtes grubelns und difficultierens, mer
zu zerruettung der sachen als zu erpauung dienlich, auf die paan zu bringen,
und etwa den andern thaill auch zu noch merer scherpf ursach zu geben“, ent-
schloß er sich zu einer energischen Intervention. Er schickte Jonas zu Kardinal
Otto Truchseß von Waldburg und zum Erzbischof Michael von Salzburg, Za-
sius zu den Vertretern der Bischöfe von Würzburg und Eichstätt, um sie auf-
zufordern, von weitergehenden Änderungswünschen Abstand zu nehmen.
Obwohl die geistlichen Fürsten das zusagten, scheiterten Österreichs Vertreter
im Fürstenrat mit dem Votum, die Ausschußvorlage, deren Schlußredaktion
ihnen als Vorsitzenden obgelegen hatte, möglichst ohne lange Erörterung dem
Kurfürstenrat zu übergeben, um dann zugleich über dessen Ausarbeitung und
das eigene Papier zu beraten. Sie fanden zwar die Unterstützung Bayerns, aber
Salzburg beantragte im Namen der Geistlichen allerlei redaktionelle Änderun-
gen192, worauf Württemberg verlangte, die Punkte einzeln durchzusprechen,
weil es untunlich sei, alle Korrekturen auf einmal zu behandeln.
So trat man doch in die zeitraubende Diskussion ein, die Ferdinand hatte
vermeiden wollen, denn die Protestanten hatten die Zwischenzeit auch zu ein-
gehenden Beratungen genutzt und sich auf mehrere gewichtige Ergänzungen
verständigt193. Schon nach der Umfrage zum ersten Abschnitt kam es überdies
zu einem Eklat, als der Vorsitzende Wilhelm Truchseß von Waldburg nur die
Salzburger Änderungsanträge, denen allerdings die Mehrheit zugestimmt hatte,
für angenommen erklärte. Dagegen protestierte der persönlich anwesende Her-
zog Christoph von Württemberg. Er warf dem Versammlungsleiter Parteilich-
keit vor, denn auch protestantische Änderungswünsche hätten die Zustimmung
190 „Et par ainsi demeure la négociacion qu’on esperoit dudit Cl. Moron en cette diette du tout
sopie“. Ferdinand an Karl, Augsburg, 30.3.1555 (Druffel 4, S. 630)
191 Zum Folgenden HHStA Wien, RK RTA 29b, Konv. II Nr. 2b, fol 30v-33r (Zasius’ Protokoll-
auszug), das Zitat 30v/31r. Vgl. M.I. Schmidt, Neuere Geschichte 2, S. 43f; Bucholtz 7, S. 178f;
Wolf, Religionsfrieden S. 94.
192 HHStA Wien, RK RelA 25 I, fol 77r-81r: Ausschußentwurf mit Zusatzwünschen der geistlichen
Stände, Reinschrift
193 Aufgelistet bei Simon, S. 55
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Titel
- Ferdinand I. als Kaiser
- Untertitel
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Autor
- Ernst Laubach
- Verlag
- Aschendorff Verlag
- Ort
- Münster
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 786
- Schlagwörter
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Kategorie
- Biographien