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Kapitel 1: Ferdinand und der Augsburger
Religionsfrieden76
als Meinung Ferdinands vor, „das wo ein weeg sonnsten möchte gefunden wer-
den, do durch di freystellung verhuet, und die jurisdiktion allain in fremdem
furstenthumben ein zeit lang eingestelt, auch kunfftigelich derhalben irrungen
bis zu enttlicher vergleichung suspendiert wurden, das die Catholici solches mit
in eingeen und also das werck des religions friedens nit solten zerschlagen las-
sen“254; warnend wies er darauf hin, wenn man sich jetzt nicht einige, müßten
die Katholiken bald viel mehr bewilligen; vor allem dann, wenn es zwischen
dem Kaiser und Frankreich nicht zum Frieden käme, bestünde die Gefahr poli-
tischer Verbindungen zwischen den Protestanten und Frankreich, aus denen
leicht „emporung“ entstehen könne.
Der unmittelbare Eindruck dieser Ausführungen muß stark gewesen sein.
Man formulierte „doch allain zu bedenken“255 einen neuen Artikel zur geistli-
chen Jurisdiktion, der sie für die Besitzungen der weltlichen Stände bis zur
Überwindung der Glaubensspaltung „zu erhaltung eines bestendigen fridens
zwischen allen stenden“ suspendierte, ohne daß damit den sonstigen Rechten
der Geistlichen präjudiziert sein sollte256. Indessen formierte sich noch am glei-
chen Tag auf einer von Salzburg einberufenen Sonderversammlung der Wider-
stand der geistlichen Stände. Zwar waren Bamberg, Straßburg und Passau neben
Salzburg bereit, um den totalen Verlust der geistlichen Jurisdiktion zu vermei-
den, den Vorschlag anzunehmen, zumal der König dazu rate und die weltlichen
Katholiken auch dafür seien; aber der Bischof von Eichstätt und Dr. Braun (für
den Kardinal von Augsburg) widersprachen entschieden, der Artikel sei mit
ihren Pflichten unvereinbar, und brachten die große Mehrheit auf ihre Seite257.
Doch Ferdinand ließ seine Mitarbeiter nun um den Kompromiß kämpfen. In
der Sitzung der katholischen Stände am 13. Mai, die darüber Beschluß fassen
sollte, hielt Zasius in seinem Auftrag eine sehr energische Rede, die Ferdinands
Position deutlich machte258: Der König halte den fraglichen Artikel auch für
belastend, aber der Friede im Reich sei so dringlich, daß er selbst und ebenso
der Kaiser sich zu Konzessionen bereitfinden müsse. Da die Gegenseite den
Frieden sonst nicht bewilligen wolle, müßten auch die Geistlichen ihre Ein-
wände zurückstellen, denn es sei keinesfalls angängig, die Verantwortung allein
ihm und dem Kaiser aufbürden zu wollen. Sie dürften ihren angekündigten
Protest einbringen, sollten aber wissen und sich danach richten, daß der König
weder diesen Artikel noch andere in alleiniger Verantwortung akzeptieren wer-
de, sondern nur, „weß die stende insgemein sie sich freuntlich also miteinander
entschlossen, bewilligen, annemen wurden, das wolte Ir Maj. gern gnediglich
und freundtlich neben inen tragen und verantworten helfen“259. Zasius fügte
hinzu, die österreichischen Vertreter hätten Anweisung, falls die Geistlichen
254 Passauer Protokoll, fol 55r
255 Passauer Protokoll, fol 55v
256 Ernst, Bw. 3, S. 178 Anm. 2
257 Passauer Protokoll fol 55v-56v; Wolf, Religionsfrieden, S. 114f.; Siebert, S. 148; Rößner, S. 280f
258 Passauer Protokoll, fol 57r: „...ist durch D. Zasium dahin ir Mt. gemuet dises artikels und aller
diser handlung halben weitläufig und ausfuerlich vernomen worden“.
259 Passauer Protokoll, fol 57v, von Wolf, Religionsfrieden, S. 115 Anm. nicht exakt zitiert (Kor-
rekturen schon bei Ernst, Bw. 3, S. 117 Anm.).
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Titel
- Ferdinand I. als Kaiser
- Untertitel
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Autor
- Ernst Laubach
- Verlag
- Aschendorff Verlag
- Ort
- Münster
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 786
- Schlagwörter
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Kategorie
- Biographien