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Vermittlungsbemühungen des Königs im Mai 77
nicht nachgäben, sondern die Vermittlung zum Scheitern bringen würden, „daß
sie dannoch die weltlichen katholischen mit den konfessionisten schließen und
das mehrer also machen sollten und wurden“260. So wenig wie vom Kaiser
wollte Ferdinand sich die Verantwortung für den unumgänglichen Kompromiß
von den geistlichen Fürsten „heimstellen“ lassen.
Die unverhüllte Drohung, die Geistlichen notfalls zu majorisieren, und auch
der von Zasius angeschlagene scharfe Ton lösten Empörung und hitzige De-
batten aus. In der Sache wurde beanstandet, daß die Suspension allgemein in
„fremden weltlichen“ Fürstentümern, nicht beschränkt auf die derzeitigen An-
gehörigen der Confessio Augustana, zugestanden wurde; damit wären auch
später Übertretende in den Genuß der Bestimmung gekommen, worin man eine
Hintertür für den uneingeschränkten Übertritt sah. Zasius und die beiden ande-
ren Vermittler übernahmen schließlich den Auftrag, eine einschränkende For-
mel durchzusetzen, obwohl sie Schwierigkeiten voraussagten261.
Es gelang den Unterhändlern in den nächsten beiden Tagen, sich im wesent-
lichen zu verständigen. Sie erarbeiteten eine neue Vorlage für den Fürstenrat,
von der beide Seiten hofften, daß sie die Zustimmung beider Konfessionspartei-
en finden und somit noch ein einhelliges Votum des Fürstenrates erreicht wür-
de262. Die Zähigkeit Ferdinands und seiner Räte schien doch noch zum ge-
wünschten Ziel zu führen.
Dieser neue Entwurf, der „Höhepunkt der Vermittlung im Fürstenrat“263,
basierte auf der Synthese des Fürstenratsausschusses vom 2. Mai. Die meisten
Artikel stammten aus dieser Vorlage, zwei Abschnitte aus dem alten Fürsten-
ratsentwurf über Spezialfälle der geistlichen Güter und Gerechtigkeiten waren
gestrichen264. Für die schwebenden Streitfälle über eingezogene geistliche Güter
wurde der Vorschlag des Kurfürstenrates übernommen, aber 1547 als Normal-
jahr eliminiert. Über die in weltlichen Territorien anfallenden Einkünfte geistli-
cher Institutionen sollte verfügen dürfen, wer sie zur Zeit des Passauer Vertra-
ges innegehabt hatte, allerdings zur Dotierung von kirchlichen oder sozialen
Einrichtungen. Wichtigste Neuerung war die von Zasius den geistlichen Stän-
den abgerungene Suspension der geistlichen Jurisdiktion „in fremden und son-
derlich der A.C. verwandten weltlichen“ reichsständischen Territorien. Für die
seit dem Interim bikonfessionellen Städte verlangten die katholischen Unter-
händler einen Zusatz, der wenigstens dort die Beibehaltung sichern sollte265.
Mehrere der von den Protestanten abgelehnten detaillierten Regelungen aus
dem Fürstenratsentwurf waren weggefallen. Der Sonderartikel der Protestanten
über die Freistellung fehlte, die Reservatio der Geistlichen war beibehalten.
260 Ebda. Braun erhielt von Ferdinand eine persönliche Ermahnung (Rößner, S. 281 Anm. 59)
261 Passauer Protokoll fol 58v/59r; Wolf, Religionsfrieden, S. 117
262 Die württembergischen Gesandten berichteten am 14. und 16. Mai an Herzog Christoph opti-
mistisch (Ernst, Bw. 3, S. 179 u. S. 182).
263 So Ernst, Bw. 3, S. 180 Anm. 1 zu Nr. 78. Kopie in NWStA Münster, FML 473 Bd. 151, fol 65–
71.
264 Die Abschnitte 10 und 11 (Brandi, Religionsfrieden, S. 11f; Ernst, Bw. 3, S. 147)
265 Ernst, Bw. 3, S. 178 Anm. 2 (letzter Satz des „Novus articulus der jurisdiction“); vgl. Pfeiffer, S.
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CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Titel
- Ferdinand I. als Kaiser
- Untertitel
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Autor
- Ernst Laubach
- Verlag
- Aschendorff Verlag
- Ort
- Münster
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 786
- Schlagwörter
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Kategorie
- Biographien