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Vermittlungsbemühungen des Königs im Mai 79
hindern; auch habe man den Eindruck gewonnen, daß die Verhandlung, auf die
man sich eingelassen habe, weil man dem König diesen Wunsch nicht habe
abschlagen können, nur geführt worden sei, um die Grenzen ihrer Nachgiebig-
keit zu erkunden269. Wichtiger war wohl das von Kursachsen vorgetragene
Argument, wenn das von den Vermittlern erarbeitete Konzept an den Kurfür-
stenrat gelange, würden die geistlichen Kurfürsten zustimmen, mithin von dem
früheren – für die Protestanten günstigeren – Votum des Kurfürstenrates ab-
rücken; dann aber würde der König sicherlich den von der Mehrheit des Für-
stenrates und dem halben Kurfürstenrat getragenen Entwurf in den Abschied
bringen270. Man beschloß, weitere Vermittlungsgespräche abzulehnen und auf
der Übergabe des eigenen, eng an den Entwurf des Kurfürstenrates angelehnten
Votums zu bestehen271.
Die katholischen Vermittler traf der brüske Abbruch völlig überraschend,
aber alle Appelle, daß man sich doch über fast alles verständigt habe, alle Hin-
weise darauf, wie weit man bei der Jurisdiktion der Geistlichen entgegenge-
kommen sei, blieben vergeblich; die Protestanten erklärten jetzt vor allem den
neuen Städteartikel zur Gewissenssache272. Zasius, der sich so stark für die Ei-
nigung engagiert und die geistlichen Stände zu auch in seinen Augen an der
Grenze des Zumutbaren liegenden Zugeständnissen gedrängt hatte, fühlte sich
hintergangen und kam zu der erbitterten Folgerung, es sei deutlich geworden,
daß die Protestanten beabsichtigt hätten, „die catholischen, geistlich und welt-
lich, und also zumal auch die Kön. Mt. selbst auszufischen, wie weit bei unserm
teil das werk gebracht und inen in iren fürhabenden griffen gewichen werden
möchte“273. Auch in seinem Referat vor dem Kurfürstenrat ließ Zasius die Mei-
nung durchblicken, angesichts der Kompromißbereitschaft der Katholiken wäre
das zwiespältige Votum vermeidbar gewesen274. Am Ende der dreiwöchigen
Verhandlungen standen schließlich doch zwei Papiere der beiden Konfessions-
parteien im Fürstenrat, denen nicht mehr die Synthese des Ausschusses vom 2.
Mai zugrundelag.
Die Katholiken parierten den protestantischen Schritt mit dem von Zasius
vorgeschlagenen Zug, die im Ausschuß erarbeiteten Fassung preiszugeben, mit
dem eigenen Votum so eng wie nur irgend möglich dem Entwurf des Kurfür-
stenrates zu folgen und die Klippen durch „dissimulierende Formeln“ zu um-
gehen275. Dahinter dürfte das Kalkül gestanden haben, auf diese Weise den
269 Ernst, Bw. 3, S. 183
270 Schwabe, S. 263f; vgl. Ernst, Bw. 3, S. 187f; Wolf, Religionsfrieden, S. 120f.
271 Mit dem Abbruch der Vermittlung haben die Protestanten die von Ernst, Bw. 3, S. LIII Anm. 1
erwogenen Vorteile preisgegeben.
272 Passauer Protokoll fol 63v; vgl. auch Ernst, Bw. 3, S. 183
273 Druffel 4, S. 676f: Zasius an Maximilian, 22.5.55. Auch Hundt meinte, sie hätten die Kompro-
mißbereitschaft der Katholiken ausreizen wollen (Mayer, S. 215).
274 Ernst, Bw. 3, S. 190 Anm. (Zitat aus dem Protokoll des Kurfürstenrates); vgl. auch Lehmann, S.
19f (Kapitel VII)
275 Druffel 4, S. 677. Wenn Zasius in dieser Phase das „dissimulierende Verfahren“ empfahl (zu
Begriff und Funktion vgl. Heckel, Autonomia, S. 185ff.), so war der Sinn dieser Taktik, erst
einmal ein gemeinsames Papier der Stände zu bekommen, damit Ferdinand in seiner Stellung-
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Titel
- Ferdinand I. als Kaiser
- Untertitel
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Autor
- Ernst Laubach
- Verlag
- Aschendorff Verlag
- Ort
- Münster
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 786
- Schlagwörter
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Kategorie
- Biographien