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Kapitel 1: Ferdinand und der Augsburger
Religionsfrieden80
geistlichen Kurfürsten die Arbeit zu erleichtern, die weitergehenden Ände-
rungswünsche der Protestanten abzuwehren. Das am 21. Mai dem Kurfürsten-
rat übergebene katholische Votum wich also von dessen Entwurf nur an ganz
wenigen Stellen ab276. Aus dem April-Konzept des Fürstenrates waren nur
noch zwei Passagen geblieben: Die inzwischen nicht mehr strittige Beschrän-
kung des Friedens auf die beiden Konfessionen (Artikel 5 des endgültigen Tex-
tes), so daß die ausdrückliche Erwähnung der Sekten gestrichen werden konnte,
und der von den Protestanten abgelehnte Gewissensvorbehalt der Geistlichen
(„Der Pfaffen Eid“). Der den Geistlichen so mühsam abgerungene Kompro-
mißartikel über ihre Jurisdiktion fehlte ebenso wie das ursprünglich zugestan-
dene Jus emigrandi der Untertanen, weil beide Punkte im Papier der Kurfürsten
nicht enthalten waren. Eine sprachliche Umstellung im Artikel über die Unter-
tanen verdeutlichte, daß es verboten sein sollte, fremde Untertanen zum Religi-
onswechsel zu ermuntern (Artikel 10 des endgültigen Textes.) Durch zusätzli-
che Einfügung der Worte „bis zu endlicher Vergleichung der Religion“ an zwei
Stellen wurde der vorläufige Charakter des Friedens noch stärker betont, seine
Kennzeichnung als „für und für ewig werender“ war wie in den früheren ka-
tholischen Stellungnahmen getilgt277. Ebenso blieben die Katholiken bei der
Streichung des ominösen „zu was zeit“, wenn von der Zugehörigkeit der
Reichsstände zu den Konfessionen die Rede war278.
Das Votum der Protestanten unterschied sich etwas stärker vom Konzept
des Kurfürstenrates279: Das Jus emigrandi war hier beibehalten und so präzi-
siert, daß es auch für Untertanen des Kaisers – gemeint waren die Niederlande –
gelten sollte; die Garantie für die seit langem protestantischen Städte wurde auf
die Ritter ausgedehnt; der Artikel über die eingezogenen geistlichen Güter war
verändert (Streichung des Normaljahres 1547 sowie der Regelung bei schwe-
benden Verfahren) und die Suspension der geistlichen Jurisdiktion in der mit
den Vermittlern zunächst besprochenen Fassung (ohne den Zusatz über die
bikonfessionellen Städte) aufgenommen280.
Es war also die Folge der gescheiterten Versuche, im Fürstenrat ein einver-
nehmliches Votum herbeizuführen, daß der Entwurf des Kurfürstenrates allei-
nige Grundlage für den Augsburger Religionsfrieden geworden ist und mit
allen Vorarbeiten des Fürstenrates auch die ursprüngliche österreichische In-
itiative nahezu wirkungslos geblieben ist281. Die weitgehende Übernahme des
Kurfürstenratsentwurfs durch beide Konfessionsparteien des Fürstenrates bot
nahme nicht Partei ergreifen mußte. Ferdinand hat dann in seiner Resolution mehrmals „Ein-
deutigkeit“ als Argument für seine Änderungswünsche angeführt.
276 Druck bei Lehmann I, S. 20f
277 Abschnitte 3 und 7 bzw. 12 des Kurfürstenratsentwurfs, Zählung nach Brandi
278 Das Konzept im HHStA Wien, RK, RTA 29b, Konv. II Nr. 40, fol 26ff dokumentiert diese
bewußt vorgenommenen Streichungen. Zu den Änderungen vgl. auch Schwabe, S. 265 und
Wolf, Religionsfrieden, S. 122.
279 Lehmann I, S. 22f.
280 Ebda, S. 23 linke Spalte, 11. Zeile von unten
281 Weil die Forschung, insbesondere auch die rechtsgeschichtliche, vorwiegend an den endgültigen
Formulierungen und deren Vorstufen, wie sie Brandi dargelegt hatte, interessiert gewesen ist,
sind alle anderen Überlegungen meist nur sporadisch berücksichtigt worden.
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Titel
- Ferdinand I. als Kaiser
- Untertitel
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Autor
- Ernst Laubach
- Verlag
- Aschendorff Verlag
- Ort
- Münster
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 786
- Schlagwörter
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Kategorie
- Biographien