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Kapitel 1: Ferdinand und der Augsburger
Religionsfrieden86
Wollten sie damit diese Bestimmung als nicht wünschenswerte Notlösung
kennzeichnen und abwerten? Der Kurfürstenrat hat die Ergänzung akzeptiert,
sie ist Bestandteil des Artikels geblieben.
Als die Räte der geistlichen Kurfürsten wegen ihrer Zustimmung zum Anlie-
gen der Katholiken des Fürstenrates von Sachsen massiv unter Druck gesetzt
wurden, der bis zur Sprengung einer Sitzung ging307, suchte der Mainzer bei
den Kollegen von der Fürstenkurie Rat. Damit bot sich die Chance, ihn für den
Gedanken des „Geistlichen Vorbehalts“ zu gewinnen308. Am 14. Juni wurde ein
von den Katholiken gemeinsam formulierter Artikel309 vom Mainzer Kanzler
im Kurfürstenrat zur Diskussion gestellt und so lange von den Geistlichen ver-
teidigt, bis die Protestanten einen Gegenvorschlag formulierten, der zugestand,
daß ein übertretender geistlicher Fürst das Stift nicht säkularisieren und erblich
machen dürfe310, womit sie ihrerseits einen Schritt zur Sonderbehandlung der
geistlichen Fürstentümer im Religionsfrieden getan haben. Zur Einigung kam es
aber nicht, so daß man sich am 15.6. entschloß, dem Fürstenrat zu dieser Frage
vorab ein gespaltenes Votum vorzulegen und ihn zum Nachdenken darüber
aufzufordern, „wie man etwo darunter zur einhelligkeit komen mochte und zur
relation, der khu. mt. ze thun“311, sei es durch Anschluß an eine der beiden
Positionen, sei es durch einen Mittel- bzw. Ausweg. So zeitigten die Anstren-
gungen der Mitarbeiter Ferdinands immerhin einen Teilerfolg.
Ferdinand und seinen Räten war klar, daß in der zentralen Streitfrage keine
Einigung der Stände mehr zu erwarten war, sondern die öffentliche Stellung-
nahme des Königs erforderlich werden würde312. Zunächst aber ging es darum,
die katholische Position als die verständigungsbereite erscheinen zu lassen. In
einer Sondersitzung am 16. Juni stellten die Katholiken Argumente zusammen,
die den Protestanten die Ablehnung der Freistellung plausibel machen sollten.
Neu war das Argument, durch den „Geistlichen Vorbehalt“ werde ein sonst
möglicher, für das Reich ruinöser Krieg verhindert: Denn durch die Entfrem-
dung geistlicher Fürstentümer als Folge der Freistellung werde auch der Papst
geschädigt, der dann Absetzungen verfügen und dem Kaiser befehlen könne, sie
mit Gewalt durchzusetzen; wenn der sich aber auf Grund des Religionsfriedens
weigern würde, könne Rom zur Exkommunikation des Kaisers und zur Trans-
latio Imperii schreiten, wodurch Kaiser und Reich ihrer Ehre beraubt würden;
„daraus dann beschwerliche verderbliche krieg und also nichts weniger denn
der wie alhier gedachte aufzurichtende Religionsfrieden halben behalten wir-
den“313. Vertraulich wurde Kursachsen signalisiert, daß man die Frage bei den
307 Bucholtz 7, S. 191; Schwabe, S. 275f., Wolf, Religionsfrieden, S. 133
308 Passauer Protokoll, fol 92–97r; Ernst, Bw. 3, S. 225 Anm. 11. Wortlaut bei Bucholtz 7, S. 193
309 Rößner, S. 284, schreibt Braun entscheidenden Anteil daran zu; sie übersieht die vorherigen
Anstrengungen Zasius’.
310 Wolf, Religionsfrieden, S. 134; Bucholtz 7, S. 192. Das wurde Bestandteil des protestantischen
Sondervotums an den König (Lehmann I, S. 28). Während der Schlußverhandlungen sind die
Protestanten noch etwas weiter gegangen (s. unten S. 126).
311 Ernst, Bw. 3, S. 230 Anm. 2 (Zitat aus dem Protokoll des Kurfürstenrats)
312 So Zasius in seinem Brief vom 15.6. an Maximilian (Druffel 4, S. 686f.)
313 Passauer Protokoll, fol 100r
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Titel
- Ferdinand I. als Kaiser
- Untertitel
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Autor
- Ernst Laubach
- Verlag
- Aschendorff Verlag
- Ort
- Münster
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 786
- Schlagwörter
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Kategorie
- Biographien