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Vorentscheidung im Juli und August: Resolution oder Prorogation 97
Diskussion eingebracht hat370. Worauf sich Thann mit ersterem stützte, ist un-
klar, eine mögliche Spur könnte eine Bemerkung Christophs von Württemberg
dafür bieten: Der Herzog soll geäußert haben, „das der Besserer von Ulm ime
gesagt, wie der Pfinzing ime geschriben das die kai. mt. hette der kon.mt. auf ir
schreiben, woruf es der fridstende halb stund, die antwurt geben: wo der konig
nit kund bessers erhalten, so solt er den fridstand willigen, wie es begert wurde,
doruf aber der konig den herzog von Baiern zu sich ervordert; die beide weren
aufgesprungen vor zorn und alsbald irn rath funden, zu der kei.mt. zu schik-
ken“371. Jedoch bleibt in der Bemerkung des Herzogs die Lücke, woher sein
Wissen über Ferdinands wütende Reaktion stammte. Außerdem mußte gerade
der angebliche Gewährsmann Pfintzing Karls Position besser kennen, da er
jenen nicht abgesandten Entwurf einer kaiserlichen Stellungnahme zu dem er-
sten Bedenken des Fürstenrates verfaßt hatte372, und auch danach hatte Karl
eine so eindeutige Zustimmung zu einem Frieden nicht von sich gegeben, viel-
mehr war er stets bei allgemeinen Wendungen geblieben, daß Ferdinand das
Richtige und mit seinem Gewissen zu Vereinbarende tun werde373.
Noch auffälliger ist das plötzliche Auftreten des Gedankens bei Ferdinand,
den Reichstag ohne abschließendes Ergebnis zu vertagen. Zu seiner bisher wäh-
rend des Reichstags verfolgten Linie, auf jeden Fall zu einer Stabilisierung des
Friedens im Reich zu gelangen, scheint das nicht zu passen. Darum sind in der
Forschung die Fragen gestellt worden, ob der König die Prorogation ernsthaft
angestrebt hat bzw. was er sich davon versprochen haben könnte. Man muß
dabei berücksichtigen, daß er die Reaktionen von verschiedenen Seiten in seine
Rechnung einzustellen hatte. Vor allem Viktor Ernst hat mehrere Gründe für
die These angeführt, Ferdinand habe mit diesem Vorschlag lediglich beabsich-
tigt, „dem Kaiser zu zeigen, daß es unmöglich sei, den Abschluß des Religions-
friedens hinauszuschieben“374. Für dieses Motiv könnte auch die Beobachtung
sprechen, daß der Gedanke erst bei einer Überarbeitung in den Brief hineinge-
kommen ist; im deutschen Konzept waren die Überlegungen in eine ganz ande-
re Richtung gegangen, nämlich die Verhandlungen bis zum Winter hinauszu-
ziehen und so „den unruehigen leuten die ursach und gelegenheit, neue
kriegsempörung zu erwecken, abzuschneiden“, in der Hoffnung, daß mittler-
weile entweder das Verhältnis des Kaisers zu Frankreich oder die siebenbürgi-
sche Frage und damit zusammenhängend die Lage an der türkischen Grenze
geklärt wären375. Auf wen die Änderung zurückgeht, ist nicht auszumachen. Sie
war zugunsten größerer Stringenz der Argumentation sinnvoll, da der Tenor
des Schreibens darauf abgestellt war, längere Verzögerungen als für Ferdinand
schwer erträglich darzustellen.
370 Lutz/Kohler, S. 75 mit Anm. 149
371 Ernst, Bw. 3, S. 283 (Anm.)
372 s. oben S. 69 mit Anm. 216 betr. Druffel 4, S. 646ff; dazu Lutz, Christianitas, S. 364 Anm. 152
373 Außerdem ist Pfintzing nur wenig später von Karl mit einer wichtigen geheimen Mission betraut
worden, was weitere Zweifel daran begründet, er habe diese weittragende unrichtige Informati-
on gegeben.
374 Ernst, Bw. 3, S. LXIII Anm. 2
375 Druffel 4, S. 695 Anm. 4
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Titel
- Ferdinand I. als Kaiser
- Untertitel
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Autor
- Ernst Laubach
- Verlag
- Aschendorff Verlag
- Ort
- Münster
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 786
- Schlagwörter
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Kategorie
- Biographien