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Vorentscheidung im Juli und August: Resolution oder Prorogation 101
ausloten wollte, wie groß ihr Wille zu positiven Ergebnissen eigentlich war392.
Natürlich mußte er, wenn er die Sondierung durchführen ließ, auch ihre Ab-
lehnung in Erwägung ziehen, zumal seine Werbung mehrere für die Protestan-
ten wenig attraktive Elemente enthielt. Konnte Ferdinand wirklich erwarten,
daß die Fürsten zustimmen würden, wenn er in den Abschied des abzubre-
chenden Reichstages hineinschreiben wollte, ihr Fernbleiben habe befriedigende
Ergebnisse erschwert bzw. unmöglich gemacht?393 Auch die Aussicht, im näch-
sten Jahr eventuell mit dem Kaiser selbst verhandeln zu müssen – so unsicher
das auch war –, und die Aufforderung, sich zu persönlichem Erscheinen zu
verpflichten, konnten kaum verlockend sein. Eine Verlängerung des Passauer
Vertrages hätte diesen zwar in den Rang verbindlichen Reichsrechts erhoben,
aber im Vergleich mit den während der Augsburger Verhandlungen erreichten
Zugeständnissen für die Protestanten einen Rückschritt bedeutet.
Eine einleuchtende konzeptionelle Komponente zeigt sich, wenn man die
Vertagungsidee in Verbindung mit Ferdinands ursprünglichen Intentionen für
den Reichstag bringt. Wichtigstes Indiz dafür ist ein Gedanke, den Ferdinand in
seiner Werbung den Fürsten vortragen ließ, in seinem Brief an den Kaiser aber
nicht eigens erwähnt, sondern nur mit dessen Kommissar Hornung besprochen
hat: Er wolle in der Zwischenzeit ein „Buch von wegen vergleichung der stritti-
gen articuln der christlich religion“ ausarbeiten und den Ständen vorlegen las-
sen, das dann die „unverbindliche“ Beratungsgrundlage bieten könnte394. Fer-
dinand hatte ja beabsichtigt, die Religionsfrage möglichst auf diesem Reichstag
zu erledigen. Bei Annahme seines Vorschlages wäre die Zerstörung seiner
Reichstagskonzeption durch das Versagen der Kurie und die Gegenwirkung des
sächsischen Kurfürsten teilweise kompensiert worden. Insofern war der Ge-
danke sicher ernst gemeint als Versuch, zu dem eigentlich als richtig erkannten
Weg zurückzukehren395.
Für diese Überlegung spricht ferner, daß Zasius Anfang August im Fürsten-
rat überraschend beantragte, jetzt beim Kurfürstenrat die in der Proposition
angesprochene Beratung über das Verfahren zur Wiederherstellung der Glau-
benseinheit im Reich in Erinnerung zu bringen und dazu den im Passauer Ver-
trag für diesen Reichstag vorgesehenen interkurialen Ständeausschuß zu etablie-
ren396. Es gelang auch, die Unterstützung des Fürstenrates zu gewinnen, für den
der gemeinsame Ausschuß von Interesse war, um den Ansprüchen des Kurfür-
stenrates auf eine Sonderstellung entgegenzuwirken. Allerdings führte der Vor-
stoß, der schwerlich ein Alleingang Zasius’ gewesen ist, nicht zum gewünschten
392 Die Sorge, der Vorstoß werde ihm den Vorwurf eintragen, die mangelhaften Fortschritte am
Reichstag seien auf sein Zurückhalten der Resolution zurückzuführen, teilte er nicht; Hornung
hat ihn auf diese Möglichkeit ausdrücklich hingewiesen (Lutz/Kohler, S. 92).
393 Eine Kopie der Werbung im NWStA Münster, FML 473, Bd. 3a, fol 254r-257v; Auszug bei
Ernst, Bw. 3, S. 292f; Druffel 4, S. 703 (Nr. 657) ist ungenügend.
394 So in der Instruktion (fol 255v); vgl. Lutz/Kohler, S. 91; Lutz, Christianistas, S. 373f.
395 Ähnliche Einschätzung bei Lutz, Christianitas, S. 423f; Pfeiffer, S. 254, führte die Aktion auf
Gewissensbedenken des Königs gegenüber dem Religionsfrieden zurück.
396 Das Passauer Protokoll (fol.155r) datiert den Antrag auf den 2. August, das hessische Protokoll
(HStA Marburg, PA 1208, fol 144r) gibt den 3. August an. Wolf, Religionsfrieden, S. 149f, hat
die Bedeutung des Antrages nicht erkannt.
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Titel
- Ferdinand I. als Kaiser
- Untertitel
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Autor
- Ernst Laubach
- Verlag
- Aschendorff Verlag
- Ort
- Münster
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 786
- Schlagwörter
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Kategorie
- Biographien