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Kapitel 1: Ferdinand und der Augsburger
Religionsfrieden120
Mit Vorwürfen an die Adresse des Königs wurde darin nämlich nicht ge-
spart530: Die Verweigerung der Freistellung für Ritter und Hansestädte sei
destabilisierend und werde zu neuen Unruhen im Reich führen. Der „Geistliche
Vorbehalt“ wurde als unvereinbar mit früheren Reichstagsabschieden und dem
Passauer Vertrag gerügt. Als Zeichen ihres guten Willens boten die Protestanten
erneut einen Passus an, durch den Säkularisierungsversuche geistlicher Fürsten
verhindert und das Wahlrecht der Stifte garantiert werden sollte531. Das Jus
emigrandi der Untertanen wurde mit Bibelzitaten als angemessene Lösung in
einem Loyalitätskonflikt erläutert und als zur Sicherung des Friedens unent-
behrlich bezeichnet. Der Verdacht, nach der Gewährung des „ewigen Friedens“
würden sie kein Interesse an der Verständigung in den Glaubensfragen mehr
haben, wurde mit der Begründung zurückgewiesen, gerade sie hätten mehrmals
ein freies Generalkonzil gefordert; die Verweigerung des ewigen Friedens sei
der eigentliche Grund für das herrschende Mißtrauen im Reich, während durch
ihn gerade ein positives Klima für die Religionsvergleichung geschaffen werden
würde; außerdem habe ihn der König schon in Passau zugestanden.
Ob Ferdinand dieses Papier zu sehen bekommen hat, kann dahingestellt
bleiben, über den Inhalt wird ihn Zasius, der es als Sprecher des Fürstenrates
zumindest zeitweilig in Händen gehabt hat, ehe es zurückgezogen wurde, in-
formiert haben. Aber auch in den offiziellen Schriftstücken der Stände, einem
„Protokoll“ über die am 5. September im Plenum des Reichstages vorgebrach-
ten Bedenken, das von Mainz und Sachsen redigiert worden war532, und der auf
dieser Basis erstellten Duplik der Reichsstände, die am 6. September übergeben
wurde533, blieb die Kritik der Protestanten trotz maßvollerer Formulierungen
deutlich genug. Mit der Verweigerung der „ewigen Dauer“ habe der König
allen Friedenshoffnungen „einen schweren Stoß zugefügt“534, jeder „temporal-
und conditional-Frieden“ werde nur neue Disputationen und Unruhen im Ge-
folge haben, der „unbedingte“ dagegen vertrauensbildend und für die Religi-
onsvergleichung förderlich sein. Damit sollte dem König die Verantwortung für
die Öffnung oder Blockierung des Weges zur Überwindung der Glaubens-
spaltung zugeschoben werden. Die in der Resolution verlangten Einschränkun-
gen bewerteten sie als Diskriminierung ihres Glaubens („Schimpff, Spott und
Verkleinerung der Religion“), verwahrten sich dagegen, gleichsam als eine Sekte
behandelt zu werden535, und sahen darin einen Verstoß gegen den Grundge-
danken des abzuschließenden Friedens, nämlich die Gleichbehandlung der bei-
den Konfessionen, welche die vom König in der Resolution mehrmals bemühte
„Billigkeit“ erfordere.
530 Auszüge bei Druffel 4, S. 708–711 nach einer angeblich im HHStA Wien befindlichen Kopie
mit Kommentaren von Zasius. (Ich habe das Stück dort nicht gesehen.)
531 Das hatten sie auch schon bei der Übergabe des Ständebedenkens im Juni getan (Wortlaut bei
Lehmann 1, S. 28).
532 Lehmann 1, S. 36–39; dazu Ernst, Bw. 3, S. 315 Anm. 6, und Druffel 4, S. 709 Anm.
533 Lehmann 1, S. 39ff.
534 So im „Protokoll“. Lehmann 1, S. 38 l
535 So Lehmann 1, S. 38 l (oben) u. S. 40 r (in der Duplik)
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Titel
- Ferdinand I. als Kaiser
- Untertitel
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Autor
- Ernst Laubach
- Verlag
- Aschendorff Verlag
- Ort
- Münster
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 786
- Schlagwörter
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Kategorie
- Biographien