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Das Finale des Reichstages 121
Fritz Dickmann hat zu Recht festgestellt, daß dem König der Gedanke an ei-
ne „Gleichberechtigung der beiden Konfessionen“ ferngelegen hat536; anderer-
seits hatte für die Protestanten der katholische Glaube im Grunde keine Exi-
stenzberechtigung mehr, hielten sie doch ihren eigenen für den einzig wahren.
Martin Heckel hat herausgearbeitet, daß die Garantien des Augsburger Religi-
onsfriedens den Protestanten noch keine „Parität (aequalitas) mit gleicher
Rechtsstellung“ gebracht haben, obwohl die „äußere Existenzsicherung und die
kirchliche Entfaltungsfreiheit“ gewährt wurden, die zur Basis der Parität ge-
worden sind537. Festzuhalten bleibt indessen, daß in den Debatten des Reichs-
tags Anfang September 1555 die Vorstufe der Gleichberechtigung, die Gleich-
behandlung, an mehreren Stellen gefordert worden ist538.
Abgesehen von den redaktionellen Änderungswünschen, die dem König zu-
gestanden wurden, wiesen die Stände in ihrer Duplik immerhin bei zwei Punk-
ten den Weg zu einer Annäherung. Gemeinsam empfahlen sie, das Jus emigran-
di der Untertanen zur besseren Sicherung des Friedens zu belassen, und boten
an, daß es die habsburgischen Untertanen aus Ländern außerhalb des Reiches
nicht einschließen solle539. Gegen die vom König gewünschte Streichung im
Artikel 4 wandten sie – unter katholischer Federführung – ein, es solle sicherge-
stellt werden, daß auch diejenigen, die „weder der alten Religion noch der
Augspurgischen Confession aber gleichwohl sonst abgesonderten Secten an-
hängig“, den Frieden halten müßten540, wollten die Entscheidung aber dem
König anheimstellen.
Zur Dauer des Friedens beharrten die Protestanten darauf, die Verweigerung
des „ewigen Friedens“ berühre die „Substanz“. Sie suchten Ferdinand auf seine
in Passau eingenommene Position zu verpflichten, indem sie daran erinnerten,
er habe damals zugesagt, „solchen Frieden auff diesem Reichs-Tag zu befördern
und daß mehr ist, so seynd auch solche Wort zu Passau bedacht worden“, näm-
lich die Fortdauer des Friedens auch für den Fall, wenn die nächste Veranstal-
tung zur religiösen Verständigung ergebnislos bliebe541. Die Katholiken erklär-
ten zwar die Gegenargumente des Königs für einleuchtend, gaben aber zu ver-
stehen, daß sie hier ein Entgegenkommen für denkbar hielten542.
Die vom König geforderte besondere Garantie des Status quo in gegenwärtig
bikonfessionellen Reichsstädten lehnten die Protestanten als überflüssig ab. In
einer besonderen Erklärung gaben die Reichsstädte als Meinung ihrer Mehrheit
536 Dickmann, S. 14f mit Anm. 23
537 Heckel, Parität, S. 377 u. 300; ders., Deutschland, S. 60ff.
538 „...daß zu Auffrichtung und beständiger erhaltung gemeinen Friedens fürnehmlich die Billigkeit
für Augen zu halten und ein theil dem andern gleiche Maaß ertheilen...soll“ (Lehmann 1, S. 36r);
„...daß der Augsburgischen Confession Unterthanen gleicher massen unter der alten Religion
Obrigkeiten bey ihren Haab und Gütern unbekümmert und unbeschwert wohnen müssen und
auff solche Weiß werde die Gleichheit auff beyden Theilen ... für Augen gehalten...“ (ebda. S. 37
l); „...daß beyde religionen die Alte und augspurgische Confession sammt deren Kirchen-
Ceremonien im Reich unverhindert gelassen werden sollen“ (ebda. S. 38 l).
539 Lehmann 1, S. 41 r
540 Lehmann 1, S. 41 l; vgl. oben S. 91
541 Lehmann 1, S. 42 l.
542 Lehmann 1, S. 41 r/42 l.
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Titel
- Ferdinand I. als Kaiser
- Untertitel
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Autor
- Ernst Laubach
- Verlag
- Aschendorff Verlag
- Ort
- Münster
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 786
- Schlagwörter
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Kategorie
- Biographien