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Das Finale des Reichstages 129
Zukunft an Bestimmungen halten würden, die sie für nicht konsensfähig erklärt
hatten.
Die Beratung der protestantischen Räte zeigte, daß sie sich der schwierigen
Lage bewußt waren, in die sie durch Ferdinands „letztes Angebot“ gebracht
worden waren589. Zwar plädierten einige für Ablehnung, weil der neu formu-
lierte Artikel in der Sache nichts ändere590, aber die Mehrheit schätzte die sonst
erlangten Vorteile höher ein, denn sie erkannte, daß man die Grenze dessen
erreicht hatte, was man dem König zumuten konnte591. Nach langer Diskussi-
on, in der auch allerlei Klauseln erwogen wurden, wie man den Artikel noch
abschwächen könne, einigte man sich darauf, den König um eine Denkpause zu
bitten, damit sie das Votum ihrer Herren einholen könnten592. Ferdinand be-
willigte zehn Tage; jede Verlängerung lehnte er ab und verlangte, man solle sich
eben beeilen und keine Kosten für die Boten sparen. Außerdem stellte er die
Bedingung, in der Zwischenzeit müßten die anderen Punkte der Tagesordnung
erledigt werden, damit man dann unverzüglich zum Schluß des Reichstags
kommen könne, wobei er nochmals verdeutlichte, daß es nur noch Annahme
seines Vorschlages oder Vertagung gäbe. Den abtretenden Räten rief er nach,
ihre Herren sollten „fridens und gemeines nutzens halben wie Ihre Mat. vnd die
Geistlichen viell gethan, auch etwas thun vnd eyn bissen vber macht schluk-
ken“593. Wie er dem Kaiser mitteilte, beabsichtigte er den Reichstag zwischen
dem 22. und 24. September zu Ende zu bringen594.
Erst nachdem dieser Stand erreicht war, sprach der König auch mit den Ka-
tholiken, ließ sie eingehend über den Gang der Sonderverhandlungen informie-
ren und forderte sie auf, den Ergebnissen alsbald zuzustimmen595. Indessen
gelang es auch hier nicht, sofort zum Ende zu kommen. Am 15. September
trugen die katholischen Stände doch drei Änderungswünsche vor, von denen
zwei heikel waren: Sie wünschten die Streichung des den Protestanten konze-
dierten Artikels über die reichsunmittelbaren Ritter596 und sie schlugen vor, den
Geistlichen Vorbehalt durch Anfügung einer Pönformel zu verstärken; als
589 Zum folgenden vgl. den sächsischen Bericht bei Ranke, Reformation 6, bes. S. 300–303. Er läßt
deutlich erkennen, welch starken Eindruck Ferdinand gemacht hat.
590 Neben Kurpfalz vor allem Kurbrandenburg und Pommern, die von Ferdinand, aber auch von
den sächsischen Räten deshalb verdächtigt wurden, ihnen gehe es wohl in erster Linie darum, die
Hand auf Magdeburg bzw. Cammin legen zu können (vgl. auch Lent, S. 37f).
591 „...wan grosse potentaten solche wort retten und also schwuren, so geschee es gemeinlich nicht
ahne ursach und hette grossern effect dan under gemeinen leuten.“ (ebda S. 302) – Die Sachsen
listeten neun Erfolge auf. In der Debatte wurde auch daran erinnert, Luther habe oftmals emp-
fohlen, „man solte sich in solchen fridshandlungen der gutter nicht annehmen“ (Ranke, Refor-
mation 6, S. 301). Philipp von Hessen plädierte seit Ferdinands Resolution für Nachgeben
(Brückner, S. 51f).
592 Inzwischen hatte Ferdinand eine alle bisherigen Ergebnisse berücksichtigende neue Fassung des
Religionsfriedens schreiben und den Ständen zustellen lassen (Kopie im NWStA Münster, FML
473 Bd.151, fol 148–154; sie weicht nur geringfügig ab von Lehmann 1, S. 44–46).
593 Ranke, Reformation 6, S. 303 (sächsischer Bericht)
594 Lanz, Corr. 3, S. 680f: F. an Karl, 10. 9. 1555 (franz.); Hornung rechnete anscheinend mit dem
26. September (Ranke 6, S. 303).
595 Lutz/Kohler, S. 130f; Passauer Protokoll, fol 167v-1170r
596 Die Argumente der geistlichen Kurfürsten bei Wolf, Religionsfrieden, S. 165
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Titel
- Ferdinand I. als Kaiser
- Untertitel
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Autor
- Ernst Laubach
- Verlag
- Aschendorff Verlag
- Ort
- Münster
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 786
- Schlagwörter
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Kategorie
- Biographien