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Kapitel 1: Ferdinand und der Augsburger
Religionsfrieden136
ser nicht sehr hochrangige Mitarbeiter als Bote gewählt, weil er jünger war und
die weite Reise schneller bewältigen konnte als die erfahreneren älteren Räte des
Kaisers, vielleicht auch, weil weder seine Abreise in Brüssel noch sein Auftau-
chen in Augsburg besonderes Aufsehen erregten. Pfintzing schaffte die rund
600 km lange Strecke zwischen Brüssel und Augsburg bemerkenswert rasch
innerhalb von fünf Tagen, kam aber dennoch nicht mehr zeitig genug an. Gera-
de eine Stunde vor der Schlußsitzung des Reichstages erfuhr Ferdinand von
ihm: Der Kaiser sei zu der Überzeugung gekommen, daß ihn seine ständige
Krankheit daran hindere, die Regierungsgeschäfte so wahrzunehmen, wie es
angemessen und notwendig sei, und da keine Besserung dieses Zustandes zu
erwarten sei, habe er sich nach reiflicher Überlegung entschlossen, zur Entla-
stung seines Gewissens sich „aller weltlichen regierung gantz und gar zu bege-
ben, zu enteussern, abzuthun und zu entschlagen“; von dieser Entscheidung
werde er sich durch niemanden und nichts abbringen lassen. Er beabsichtige, in
Kürze eine Gesandtschaft abzufertigen, die Ferdinand, der „als ein Römischer
ordentlich erwelter König“ sein „nächster Nachkömmling am Reich“ sei, „das
heilige Rö. Reich also von unser wegen im beysein der Chur-, fursten und sten-
de oder derselben Pothschaften und Gesandten renuncieren und abtretten“
solle. Dazu rechnete Karl die Entbindung der Reichsstände von ihren ihm gelei-
steten Eiden und ihre Verpflichtung auf Ferdinand, der in Zukunft die Regie-
rung in eigenem Namen führen und in dessen Namen das Reichskammergericht
künftig Recht sprechen solle. Ferdinand möge deshalb den Reichstag noch so
lange beisammen halten, den Zweck der kaiserlichen Gesandtschaft aber nicht
preisgeben.
Außerdem hatte Pfintzing das Verlangen des Kaisers vorzutragen, daß „dises
Reichstages abschied nit in unserm namen oder auf uns gestelt oder wir eini-
cherley gestalt darein gezogen noch einiche ratification oder confirmation der-
halben von uns begert oder angemutet wurde, dieweil solches in ansehung vor-
stehender unserer renunciation und abtrettung gantz und gar ain unnotturft“636.
Karl stellte sich die Sache so vor, daß der Abschied, gegen den er sonst keine
Bedenken zu haben behauptete637 – was aber in Anbetracht seiner „religiösen
Skrupel“ und angesichts des ganzen Manövers wenig glaubwürdig war –, erst
nach seiner Abdankung verkündet werden sollte, also von Ferdinand als neuem
Inhaber des kaiserlichen Amtes, dem damit auch allein die Sorge für die Ein-
haltung der Vereinbarungen obliegen würde. Dagegen erfuhr Ferdinand nichts
von der Absicht Karls, eine Generalrevokation der die Religion betreffenden
Beschlüsse vorzunehmen, sofern in ihnen etwas enthalten wäre, wodurch sein
Gewissen belastet werden könnte638.
sem Archivale. (Inzwischen auch benutzt von Luttenberger, Kurfürsten, S. 17). Die von Turba
zitierten Passagen sind im Wortlaut nicht ganz deckungsgleich.
636 Instruktion für Pfintzing, S. 4/5.
637 „wiewol wir sonst desselben kain sonderes bedenken hetten“ (ebda, S. 5). Diese Bemerkung hat
in der Turba zugänglichen Abschrift anscheinend gefehlt.
638 Turba, Beiträge 3, S. 252 Anm. 2; von einer Realisierung des Gedankens, an die Turba glaubte,
ist nichts bekannt, so Lutz, Christianitas, S. 420f.
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Titel
- Ferdinand I. als Kaiser
- Untertitel
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Autor
- Ernst Laubach
- Verlag
- Aschendorff Verlag
- Ort
- Münster
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 786
- Schlagwörter
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Kategorie
- Biographien